2. Handball-Bundesliga 2. Handball-Bundesliga: 13 Tore als Ausrufezeichen
Dessau-Roßlau/MZ. - Der Beifall war aufmunternd. Doch der Schreck saß tief. Bei den Fans. Vor allem aber bei den Spielern, die direkt daneben standen, als Matthias Rudow einen seiner Schlagwürfe probierte, mit Kopf und Hals gegen den massigen Körper von Varels Helge Janssen prallte und schmerzverzerrt zu Boden sank. Minutenlang wurde Rudow auf dem Parkett behandelt, ehe ihn die Mannschaftsbetreuer und DRK-Helfer aus der Halle führten - und mit einer Kehlkopfprellung ins Städtische Klinikum brachten. Rudow blieb dort über Nacht. Als Vorsichtsmaßnahme.
44 Minuten waren gespielt, als Dessau-Roßlaus stärkster Spieler der Saison ausfiel. Ob es ein Foul war oder ein unglücklicher Zusammenprall? Die Schiedsrichter berieten lange - und sahen von einer Strafe ab. Zur Empörung der 728 Fans, die am Gründonnerstag in die Anhalt-Arena gekommen und am Ende den deutlichsten Sieg der Saison feiern konnten. 24:19 stand es, als Rudow vom Parkett musste. Die Mannschaft schockte das nicht. Am Ende stand ein stolzes 35:22.
Der 13-Tore-Sieg war der höchste Erfolg der Saison und sorgte dafür, dass Dessau-Roßlau im Kampf um den zehnten Platz in der Tabelle am TSV Altenholz vorbeizog. Vier Spieltage vor Saisonende haben beide Teams nun 26:30 Punkte auf der Habenseite. Dessau-Roßlau hat sein Torverhältnis aber auf -18 verbessert. Altenholz hat 24 Tore.
Zur Halbzeit hatte nur wenig auf einen klaren Sieg hingedeutet. Dessau-Roßlau behauptete ein mühsames 16:15 gegen eine HSG Varel, die unbeschwert aufspielte und mit Tim Koors und Lukas Kalafut zwei Spieler in ihren Reihen hatte, die zu oft zu frei zum Wurf kamen. Trainer Peter Pysall reagierte darauf in der zweiten Halbzeit mit einer offensiven 3-2-1-Deckung. Es war der entscheidende taktische Schachzug.
"Anfangs war bei meinen Spielern ein gewisser Ballast spürbar", gab Pysall zu. "Beine und Kopf waren schwer." Doch in der zweiten Halbzeit wurde Dessau-Roßlau mit jeder Minute sicherer. Im Tor steigerte sich der eingewechselte Christian Hoffmann zu einer starken Leistung. Die Abwehr vor ihm griff beherzt, aggressiv und kompromisslos zu. Varel wirkte hilf- und ratlos, nahm sich viele schlechte Würfe und leistete sich zahlreiche technische Fehler.
Im Angriff spielte Dessau-Roßlau variabel, blieb fast ohne Ausfall und versuchte sogar irgendwann zu zaubern. Vor allem Patrick Heddrichs Kempa-Tor zum 28:19 blieb in Erinnerung. Beim Kapitän dürfte das auch Frust-Bewältigung gewesen sein. Trainer Pysall hatte ihn überraschend die ersten 15 Minuten draußen gelassen - und Armands Uscins auf Linksaußen gebracht. "Ich kann mich gar nicht mehr dran erinnern, wann ich mal von der Bank gekommen bin", gab Heddrich zu, ohne zu viel hineininterpretieren zu wollen. "Wir haben gewonnen. Also war alles richtig. Zur Gewohnheit sollte das aber nicht werden."
Die Dessau-Roßlauer Spiel-Lust sorgte für Vareler Frust. "Ich mag gar nicht groß über das Spiel reden", war Varels Trainer Peter Kalafut komplett bedient. Vier Tore machte sein Team in den ersten zwanzig Minuten der zweiten Halbzeit. "Da haben wir ohne Einstellung und ohne Disziplin gespielt. Ich bin enttäuscht, dass wir verdient so hoch verloren haben." Für die Spieler blieb das nicht ohne Folgen. Kalafut setzte für Ostersonnabend ein Straf-Training an.
Dessau-Roßlau freute sich dagegen auf ein freies Oster-Wochenende. Vor allem einer: Michal Panfil. Der Linkshänder hatte vor dem Spiel seine hochschwangere Frau Aldona ins Städtische Klinikum gefahren und eine Auszeit von Trainer Peter Pysall tatsächlich genutzt, mit ihr zu telefonieren. Bis zum hektischen Aufbruch nach dem Abpfiff steigerte sich Panfil zur besten Saisonleistung seit Monaten. Sieben Tore gelangen dem Polen. Das Selbstvertrauen war irgendwann so groß, dass Panfil sogar als Siebenmeterschütze antrat - und traf. "Vielleicht sollte Michal öfter Vater werden", war Peter Pysall entspannt wie lange nicht und staunte über die eigene Mannschaft. "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal so hoch gewonnen haben", überlegte der Trainer. "Und ich weiß auch nicht, wann ich in den letzten zehn Minuten mal so entspannt auf der Bank sitzen konnte." Pysall sollte das genießen. Wer weiß, ob das in den letzten vier Spielen noch einmal passiert.
DRHV: Sprecher, Hoffmann - Just 1, Schöne 2, Holtz 2, Müller, Uscins 5, Alisch 1, Rudow 7 / 2, Lux 3, Panfil 7 / 1, Pratersch 1, Flödl 2, Heddrich 4