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City-Management in Wittenberg City-Management in Wittenberg: Von Anruf bis Schaufenstershoppen in der Altstadt

Von Irina Steinmann 19.01.2021, 12:28
Wenn’s mal wieder besser wird. Seit dieser Woche ist die Kampagne des City-Managements auch auf der Homepage der Stadt einsehbar.
Wenn’s mal wieder besser wird. Seit dieser Woche ist die Kampagne des City-Managements auch auf der Homepage der Stadt einsehbar. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Die absehbare Verlängerung des harten Lock-Downs über den 31. Januar hinaus verschärft die Sorge um die Zukunft des Einzelhandels. Und was wird aus der Innenstadt, wenn Ladeninhaber aufstecken? Schon ohne Pandemie war Leerstand Thema auch in Wittenberg.

Zum 1. August 2020 wurde deshalb ein City-Management für die Lutherstadt eingerichtet mit der Aufgabe, binnen zwei Jahren Impulse für die Weiterentwicklung der Altstadt zu geben. Corona durchkreuzte auch hier viele Pläne, ein - kleineres - Projekt der beiden City-Managerinnen aber findet sich seit wenigen Tagen nun auch auf der Homepage der Stadt als deren Dienstherrin wieder: eine „Übersicht über die aktuellen Angebote der Gewerbetreibenden in der Altstadt“.

Dahinter verbirgt sich eine Liste mit derzeit rund 15 Anbietern, die versuchen auf diese Weise der Pandemie die Stirn zu bieten. Das Angebot reicht vom bereits üblichen Bestell- und Abholservice der direkt im Laden unzugänglichen Waren bis zu „Schaufenster-Shopping“ und eigens erarbeiteten Präsentationen im virtuellen Raum, so auf Facebook.

„Kill the Virus, not the Business“, hat etwa Ruth Mengewein ihre dortigen Aktivitäten überschrieben. Mengewein ist Inhaberin der Modeboutique „Wer hat Stil“ in der Collegienstraße und räumt freimütig ein, dass der Spruch nicht von ihr ist, sie ihn - Tötet das Virus, nicht das Geschäft - aber für sehr passend hält und deshalb gewählt hat. Als Mitglied des Gewerbevereins hat sie sich auf die genannte Liste des City-Managements setzen lassen und verfolgt selbst entsprechende Präsentationen im Internet, „damit der Kunde sieht, wir sind noch da!“

Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Natürlich „können wir vieles übers Schaufenster machen“, sagt Mengewein, die fast jeden Tag in ihrem Geschäft ist und dort mit „brotloser Kunst“ beschäftigt. Die Dame, die am Fenster klopft und die Strick-Kombi mitnimmt - und hoffentlich auch behält - kommt vor, aber viel zu selten. In Kürze hofft Mengewein auch ihre früher realen Modenschauen in Facebook-Formate umzuwandeln - technischen Support hierfür müsse sie sich aber selbst suchen, zum Glück hat sie einen Sohn.

Daran, dass ihr der Vermieter im Nacken sitzt und der Lieferant allmählich ungeduldig mit den Hufen scharrt, ändern all die Ersatz-Aktivitäten freilich wenig.

Wichtig: Bekanntheitsgrad

Um mehr Sichtbarkeit ist es auch Torsten Schill zu tun. Es reiche ja nicht, einen Online-Shop zu haben, man brauche einen entsprechenden Bekanntheitsgrad - und wenn da diese Listung zumindest einen kleinen Teil beiträgt... Auf jeden Fall trägt sie dazu bei, dass der Konsument erfährt, dass Schill nicht nur der Inhaber der gleichnamigen „Jagd- und Landhausmode“ ist, sondern auch - Büchsenmachermeister.

Dass man den Einzelhandel geschlossen habe, sei eine „Katastrophe“ und drohe diesem den „Todesstoß“ zu verpassen, kritisiert Schill, der seine Landhausmode noch dazu zu 80, 90 Prozent an Touristen verkauft, die Kreuzfahrt-Amerikaner und die Japaner liebten Dirndlkleid und Lederhose, doch auch sie sind seit Jahr und Tag - gar nicht da.

Dieses spezielle Problem hat die „Kreativ Bude“ nun nicht, sonst aber alle - allen voran die „Amazon“-Konkurrenz, weshalb Christine Becker auch nicht verlässlich sagen könnte, ob die Menschheit nun etwa kreativer geworden ist im Lockdown. Auch Becker steht regelmäßig in ihrem verschlossenen Laden und setzt auf die Stammkundschaft.

„Wer uns kennt, kennt die Nummer“, sagt die Kreativ-Expertin und verweist auf die „Hotline“, 03491/401803, im Übrigen gilt: „Wir müssen irgendwie im Gespräch bleiben“, so das Mitglied des Gewerbevereins.

Noch immer: halb voll

Manchmal fragt man sich das ja schon: Wie Diana Behrendt und Hans Schubert das machen - immer das halb volle Glas zu sehen, und nicht wie die meisten anderen das halb leere. „Wir können uns nicht beklagen“, sagt Behrendt auch diesmal. „Wir haben jeden Tag etwas“, Kundschaft also. Für die Inhaber der „Station 29“, wo sich Schönes und Nützliches für wohl fast jeden Geschmack finden, sind Abholen, Bringen und Verschicken ein alter Hut, das haben sie schon vor der Pandemie gemacht.

Jetzt findet auch vor ihrem Laden „Schaufenster-Shopping“ statt. „Uns ist der persönliche Kontakt wichtig“, sagt Behrendt, derzeit auf Abstand, versteht sich. Es gebe in der Altstadt „unheimlich viele, die was machen“, weshalb sie davon ausgehe, dass die Angebotsübersicht des City-Managements in den nächsten Tagen noch deutlich wachsen werde.

Auch ein Frisör findet sich übrigens auf Liste, es ist Kreishandwerkerchef Hendrik Hiller himself. Leider springt dort derzeit nur der Anruf-Beantworter an und hofft auf bessere Zeiten. An das Angebot werden wir uns aber noch erinnern, wenn uns die Haare längst über Ohr, Schulter oder Augenbraue gewuchert sind: Hiller bietet Gutscheine an. (mz)

Collegienstraße, links im Bild das Modegeschäft „Wer hat Stil“
Collegienstraße, links im Bild das Modegeschäft „Wer hat Stil“
Klitzsch