Zu wenig Nachwuchs Zu wenig Nachwuchs: Der Polizei in Bitterfeld-Wolfen gehen die Leute aus

Wolfen - Seltener wird man künftig einen Regionalbereichsbeamten in Bitterfeld-Wolfen sehen. Und das hat seinen Grund: Von vier Beamten, die einer Stadt mit 40.000 Einwohnern zustehen, sind derzeit lediglich drei im Einsatz.
Ab Januar 2017 werden es nur noch zwei sein. Darüber informierte Polizeihauptkommissar Volker Kaatz den Ausschuss für Recht, Ordnung, Verkehr und Bürgeranfragen Bitterfeld-Wolfen.
Sprechstunde in Wolfen-Nord nur nur noch einmal pro Woche
Damit reduziert sich auch die Anzahl der Sprechstunden der Regionalbereichsbeamten. Werden die bisher aller zwei Tage im ehemaligen Polizeirevier in Wolfen-Nord angeboten, wird es die ab Januar nur noch eine pro Woche geben.
Die Polizisten, die unabhängig vom polizeilichen Notrufsystem arbeiten, sollen für die Bürger Ansprechpartner für alle polizeilichen Belange sein - quasi die „Männer für alle Fälle“.
So hatte es Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) formuliert, als vor zweieinhalb Jahren dieses Modell in Sachsen-Anhalt eingeführt wurde. Mit einem Erlass hatte der Minister zum 1. Juli 2014 den Weg für strukturelle Veränderungen freigemacht.
Nicht genügend Polizei-Nachwuchs in Bitterfeld-Wolfen
Die Bürger wollen die Polizei wieder auf der Straße sehen - so seine Devise. Und er wollte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Beamten wieder näher an die Bürger bringen und die Personalnot bei der Polizei bekämpfen.
Heute zeigt sich, dass diese Strukturveränderung offenbar nicht des Rätsels Lösung ist. Zumindest in Bitterfeld-Wolfen. Laut Kaatz bleibt die Personalsituation in der Stadt bis auf weiteres so eng.
„Mit starker Faust trifft auch die Polizei die demografische Entwicklung“, sagte er und wies darauf hin, dass in absehbarer Zeit viele Beamte in den Ruhestand gehen, aber nicht genügend Jüngere da sind, um sie zu ersetzen.
„Wenn in den kommenden Jahren in Sachsen-Anhalt 300 Polizisten eingestellt werden sollen, brauchen wir 3.000 Bewerber. In diesem Jahr aber hatten wir nur 1.500. Dazu kommt: Die Ausbildung dauert 2,5 bis drei Jahre. Da reicht ein simpler Taschenrechner, um vorauszusagen, wann wir mit Ersatz rechnen können.“
Reserven mobilisieren, Synergien nutzen
Eins ist klar: Um die Situation in den Griff zu kriegen, die Sicherheit gewährleisten zu können, müssen alle Reserven mobilisiert, Synergien genutzt, Prioritäten gesetzt werden. Das polizeiliche Notrufsystem anzutasten, verbiete sich von selbst, so Kaatz.
Daher ist zunächst eine engere Zusammenarbeit mit den beiden Regionalbereichsbeamten von Raguhn-Jeßnitz geplant, um die Defizite zu begrenzen. Eine fiktive Zusammenlegung der Kräfte quasi.
„Keine Angst, dass Raguhn-Jeßnitz dann mit leeren Räumen dasteht: Jeder bleibt an seinem Standort“, erklärte Kaatz. Weiter ausgebaut wird auch die Zusammenarbeit mit dem städtischen Ordnungsamt, die schon jetzt sehr effektiv sei. „Kritik am Ordnungsamt ist völlig sachfremd. Die Leute sind fit. Dennoch werden wir überlegen, wo vielleicht noch Reserven stecken.“
Schwerpunkt bleibt Bitterfeld
Um zu ahnen, dass die Arbeit ab 2017 kein Zuckerschlecken für die Polizisten wird, braucht man kein Prophet zu sein. Schon jetzt sind nach Kaatz’ Worten vier Leute für das zu wenig, was in der Stadt zu leisten ist.
Schwerpunkt für die Beamten übrigens ist Bitterfeld, daher seien dort alle Kräfte konzentriert. Dennoch: Ein Drittel aller Straftaten, die sich in der Stadt konzentrieren, werden in Wolfen registriert - vor allem Einbrüche.
Kaatz erinnerte die Bürger an die Möglichkeit, in Notfällen die Wechselsprechanlage am Revier in Wolfen-Nord, in dem sich jetzt die Bundespolizei befindet, zu nutzen. „In sieben bis acht Minuten ist die Polizei da.“
Bei allen Hiobsbotschaften ist Kaatz dennoch davon überzeugt, dass das System der Regionalbereichsbeamten gut und richtig ist. Weil es die gefühlte Sicherheit der Menschen erhöhe. (mz)