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Wegen Patentlücke Wolfen war die Wiege der Perlonstrümpfe

Von Ehrhard Finger 04.02.2018, 09:00
Strumpftest: Ein eben produzierter Perlonstrumpf wird geprüft (etwa Mitte 50er Jahre).
Strumpftest: Ein eben produzierter Perlonstrumpf wird geprüft (etwa Mitte 50er Jahre). dpa

Wolfen - Ende Februar 1935 gelang es einem amerikanischen Forscherteam der Firma Du Pont, die erste Nylonfaser zu ziehen. Damit hatte man die erste vollsynthetisch hergestellte Faser gesponnen, die für textile Zwecke geeignet war.

Es war der Start in ein neues Zeitalter der Textilindustrie, der Fertigung von Textilien aus „Kunstfasern“, wie die aus nicht natürlichen Rohstoffen (Baumwolle) bestehenden Gewebe genannt wurden.

Anfang 1938 kam es zur ersten textilen Verarbeitung der von Du Pont hergestellten Nylonfaser. Alles, so glaubte man, war patentrechtlich abgesichert.

Entwicklung der Nylonfaser kostete hohe Summe

Die Ausgaben zur Entwicklung der Nylonfaser beliefen sich auf die für damalige Verhältnisse hohe Summe von 27 Millionen Dollar. Da glaubte man, dass das Verfahren zur Herstellung einer Polyamid-Faser so weit patentrechtlich abgesichert war, dass ihre Fertigung ohne Nutzung der Du Pont-Patente ausgeschlossen werden konnte. Doch das war ein Trugschluss.

Paul Schlack (1897-1987), von 1924 bis 1926 Mitarbeiter der Faserforschung der Filmfabrik Wolfen, hatte hier bereits Erfahrungen auf dem Gebiet der Polyamidchemie gesammelt.

Patentlücke war Ursprung der Forschung in Wolfen

1937 fand er bei der Durchsicht der Nylonpatente, dass man eine Herstellungsmöglichkeit von Polyamiden übersehen hatte. Nunmehr verstärkte er seine Forschungsarbeiten mit der Zielstellung, eine dem Nylon analoge Polyamidfaser zu finden, ohne die Nylonpatente zu verletzen.

In der Nacht vom 28. zum 29. Januar 1938 wurden dann die ersten Fäden auf einer Laboranlage gezogen - die Geburtsstunde des Perlons.

Herstellung von „Perluran“ und „Perlon L“

Ende 1939 konnten in einer Versuchsanlage in Berlin größere Chargen endloser Polyamidfäden hergestellt werden, die als Borsten unter dem Namen „Perluran“ und Seide als „Perlon L“ ersten Anwendern bereitgestellt wurden.

Das Ausgangsprodukt Caprolactam kam unter dem Tarnnamen „Luran“ aus einer in Leuna in geheimer Mission in kürzester Zeit errichteten Versuchsanlage. In Analogie zum Nylon erfolgte die erste Nutzung für militärische Zwecke, als Perlonseide u. a. für Fallschirme.

Erste Perlonfabrik in Europa

Ende 1943 nahm die unter Federführung der Aceta GmbH Berlin und der Filmfabrik Wolfen in Landsberg/Warthe errichtete erste Perlonfabrik Europas den Betrieb auf. Auf der Budapester Messe des gleichen Jahres erschienen die ersten Perlonstrümpfe.

Noch während des Krieges entstand in Schwarza eine Versuchsanlage zur Fertigung von Perlonseide, die nach kurzer kriegsbedingter Unterbrechung 1945 als erste deutsche Perlonfertigungsstätte den Betrieb wieder aufnahm.

1958 trennte sich die DDR vom Warenzeichen Perlon und vertrieb nunmehr die textilen Polyamiderzeugnisse unter dem Warenzeichen Dederon. Vor allem in Schwarza, Premnitz sowie Guben wurde die Dederonproduktion massiv ausgebaut. (mz)