Wettkampf trotz Corona-Pandemie Wettkampf trotz Corona-Pandemie: Jeder läuft seinen eigenen Goitzsche Marathon im Altkreis Bitterfeld

Bitterfeld - Irgendwo hier muss die Markierung sein. Der Blick von Sven Wetzig wandert über die Steinplatten an der Promenade am Stadthafen. Neben ihm steht Sohn Louis, beide tragen Lauf-Dress. Vorm Bauch kleben die Startnummern 375 und 376. Dann findet Wetzig einen verblassten roten Punkt. „Hier ist quasi Start und Ziel beim Goitzsche Marathon“, sagt er.
Und hier soll es diesem Donnerstag-Nachmittag auch für die Wetzigs losgehen. Sie starten bei der ersten virtuellen Variante des Goitzsche Marathons. Weil das eigentliche Event wegen der Corona-Pandemie auf den Herbst verschoben werden musste, haben sich hunderte Sportler in den vergangenen zehn Tagen eigenständig auf den Weg gemacht. Jeder von ihnen über die persönliche Laufroute, egal wo. Bis gestern hat das Goitzsche-Marathon-Team ihre Zeiten zusammengetragen.
Zehn Kilometer vom Stadthafen bis zur Wakeboardanlage und zurück
Die Wetzigs haben sich dafür entschieden, die Kurzdistanz auf der Originalstrecke zu laufen. Vom Stadthafen bis zur Wakeboardanlage und zurück. „Das sind genau 10,001 Kilometer“, sagt Sven Wetzig. Der Bitterfelder weiß das mit Nachkommastelle, weil er den Abschnitt selbst vermessen hat. Er ist beim Dachverband, der den Goitzsche Marathon ausrichtet, für die Strecken verantwortlich. Heute hat der erfahrene Läufer die ungewohnte Chance, dort selbst an den Start zu gehen. Wegen organisatorischer Aufgaben bleibt dazu sonst keine Zeit.
Für Louis Wetzig wiederum ist es der zweite Wettkampf überhaupt. Sein Ziel: unter 50 Minuten zu bleiben. Der Finger geht zur GPS-Uhr - und los! Damit sind zwei von insgesamt 330 Teilnehmern des virtuellen Goitzsche Marathons gestartet. Ein beachtlicher Teil der Sportler, die für das eigentliche Event erwartet werden, hat also auch beim Ersatzlauf im Mai mitgemacht.
„Etwa jeder Fünfte, das kann man so sagen“, meint Jörg Lipka, der Sportliche Leiter beim Dachverband. Nicht nur in der Region wurde gelaufen. Auch in Sachsen und Berlin, dem Ruhrgebiet und Bayern. „Deutschlandweit kann man sagen“, so Lipka. Ein Teilnehmer habe seine Strecke sogar in Litauen absolviert. Gänzlich vergleichbar sind die Zeiten deshalb nicht.
Der Goitzsche Marathon richtet sich nicht nur an fortgeschrittene Läufer
Terrain, Höhenmeter, Wetter - all das hat Einfluss. Die Wetzigs haben sich einen guten Tag ausgesucht. Blauer Himmel, Sonnenschein, um die 18 Grad Celsius. Ein leichter Wind kräuselt das Wasser der Goitzsche. „Für Hobbyläufer sind das optimale Bedingungen“, sagt Sven Wetzig vorm Start. Der durchtrainierte Routinier hat schon viele Strecken gemeistert. An Himmelfahrt will er den Brocken überqueren. Vier Tage, 120 Kilometer.
Heute unterstützt Wetzig vor allem seinen Sohn. Denn der Goitzsche Marathon richtet sich nicht nur an fortgeschrittene Läufer. Seit jeher zieht der Wettkampf auch hunderte Freizeitsportler aus der Region an. „Es gibt viele Leute in der Umgebung, die sich nur auf dieses Event vorbereiten“, sagt Wetzig.
Ihr Training war nun nicht umsonst. Das zeigen auch die über hundert Bilder, die Teilnehmer eingeschickt haben. Auf der Marathon-Webseite sind nach oben gerissene Arme zu sehen. Luftsprünge. Gehobene Daumen. Und viele erschöpfte, aber glückliche Gesichter. Per Mail sei viel Lob gekommen, so Lipka. „Manche waren richtig euphorisch“.
Rund 1.000 Euro Spenden für verschiedene Projekte in Bitterfeld-Wolfen
Zudem haben die Läufer gespendet. Rund 1.000 Euro sind zusammengekommen. Sie sollen an den integrativen Kindergarten in Wolfen, das Bitterfelder Tiergehege und in ein kleines Sportfest fließen. Wie das Geld aufgeteilt wird, soll eine Umfrage entscheiden. Und sportlich? Am Ende siegt Hannes Jochem mit 3:02 Stunden über die Marathon-Volldistanz, vor Florian Eisfeld vom TV Dessau 92 mit 3:05 Stunden.
Nicht die einzige Erfolgsmeldung. Gegen zehn vor fünf tauchen die Wetzigs am Horizont auf. Nur noch wenige Meter über die Promenade - dann sind sie im Ziel. „Er hat’s geschafft!“, ruft Sven Wetzig. Die Stoppuhr ist bei 49:21 Minuten eingefroren. Damit hat Louis Wetzig sein persönliches Ziel erreicht. Und das ohne direkte Rivalen, an deren Fersen man sich heften könnte. „Die Umstände sind schon andere“, sagt der junge Sportler. Und schiebt hinterher: „Aber es war auf jeden Fall anders als bei einem Trainingslauf“.
Bloß eine Sache habe dann doch ziemlich gefehlt. Der Zieleinlauf mit anfeuernden Zuschauern und großem Banner. „Das löst noch Mal etwas anderes aus“, sagt Louis Wetzig. Bis solche Höhepunkte wieder möglich sind, wird er warten müssen. (mz)


