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Vom Rathaus direkt in den Untergrund Vom Rathaus in Wolfen direkt in den Untergrund: Hinter schweren Türen beginnt die Bunkerwelt

Von Ulf Rostalsky 07.12.2019, 11:00
WBG-Chef Jürgen Voigt in den Schutzräumen des Rathauses: Ohne Taschenlampe fällt hier die Orientierung schwer.
WBG-Chef Jürgen Voigt in den Schutzräumen des Rathauses: Ohne Taschenlampe fällt hier die Orientierung schwer. André Kehrer

Wolfen - Das Bitterfeld-Wolfener Rathaus ist alles andere als ein Beispiel der Zurückhaltung. Die Fassade des mächtigen Rundbaus wurde mit Pfälzer Sandstein errichtet und verfügt über 99 übergroße Fenster. Unter Leitung von Regierungsbaumeister Adolf Herberger wurde zwischen 1936 und 1939 ein Ausrufezeichen gesetzt. Hier arbeitete, wer etwas zu sagen hatte. Hier schlug das Herz der Filmfabrik.

Der Rundbau ging als Gebäude „041“ in die Geschichte ein. Als Rathaus wurde er nach jahrelangem Leerstand vor zehn Jahren wieder wachgeküsst. Das Leben ist zurückgekehrt ins Gebäude. Und das nicht nur, weil hier die Fäden kommunaler Entscheidungen zusammenlaufen. „Auch unsere Verwaltung ist hier untergebracht“, sagt Jürgen Voigt, der Chef der kommunalen Wohnungs- und Baugesellschaft (WBG), die Eigentümerin der Vorzeigeimmobilie ist. Im imposanten Haus sind zudem Restaurants, Fitnessstudio und ein Callcenter eingezogen. Alles ist öffentlich. Doch nicht jede Tür wird an jedem Tag geöffnet.

. „Das ist der Bunker für das Verwaltungsgebäude“

Eine schwere im Kellergeschoss gehört dazu. Ein paar Stufen geht es noch weiter hinunter. Die Tür geht auf und gibt das große Dunkel frei. „Es ist nichts Geheimes“, erklärt Voigt und macht es kurz. „Das ist der Bunker für das Verwaltungsgebäude.“ Dass andere von Luftschutzraum oder Zivilschutzanlage reden, verhehlt er nicht. Fest steht jedoch Folgendes: „Wir haben zwar dicke Betonwände, aber keine bunkertypische Ausstattung.“

Soll heißen, dass es in Wolfen keinen Brunnen, keine separate Luftaufbereitung und keine speziellen Sanitäranlagen gibt. Dafür aber reichlich Raum für Deutungen. Denn noch sind Spuren der früheren Nutzung der Anlage zu erkennen, die zu großen Teilen unter dem jetzigen Parkplatz vor dem Rathaus liegt. Spiegel hängen an der Wand. Wo ein paar Waschbecken waren, sind allerdings nur noch Halterungen da. „Die Anlage hat heute gar keine Funktion mehr“, wird Jürgen Voigt deutlich.

Was sollte hinter schweren Stahltüren auch untergebracht werden? Heizung und Elektroanlagen sind gekappt, ein zweiter Fluchtweg Richtung Parkplatz ist dauerhaft verschlossen. Hier kann nichts eingelagert werden. Keine Zivilschutzsachen wie zu DDR-Zeiten und auch keine Archivalien. Das Klima in den großen Räumen ist dafür völlig ungeeignet. „Und außerdem hat das Rathaus ganz andere, sehr moderne Archivräume“, erzählt der WBG-Chef und macht auf ein durchaus besonderes Detail aufmerksam.

Was in Zukunft mit dem Bunker passiert, lässt der WBG-Chef offen

Als die Kelleranlage konzipiert worden war, hatten die Projektanten auch Luftschächte und Notausstiege im Sinn. Kurz vor Ausbruch des Weltkrieges war das so ungewöhnlich nicht. Erstaunlich ist jedoch, wo diese untergebracht sind. Aus dem Keller geht es auf Steigeisen in einem engen Schacht nach oben. „Das sind die Säulen, des Rathausbalkons“, sagt Voigt. „Alles gut verschlossen. Da kommt heute keiner mehr rein oder raus. Das darf ruhig jeder wissen“, fügt er hinzu.

Was in Zukunft mit dem Bunker passiert, lässt der WBG-Chef offen. Er störe ja nicht, so wie er ist. Wird er vielleicht Teil der geführten Exkursionen, auf denen IndustrieKulTour in Wolfen samt Rathaus entdeckt werden kann? Ein lautes Ja ist nicht zu vernehmen. Aber auch kein lautes Nein. (mz)

Stahltüren hängen in den Angeln, die Farbe blättert ab.
Stahltüren hängen in den Angeln, die Farbe blättert ab.
André Kehrer
Die Bunkeranlage liegt unter einem Teil des Rathausparkplatzes.
Die Bunkeranlage liegt unter einem Teil des Rathausparkplatzes.
André Kehrer
Säulen tragen nicht nur den Balkon.
Säulen tragen nicht nur den Balkon.
André Kehrer