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Verbio in Zörbig Verbio in Zörbig: Kampf in neongelb

Von lisa garn 17.09.2014, 09:11
Führung durch Verbio-Anlagen: Die BI-Mitstreiter sind dabei.
Führung durch Verbio-Anlagen: Die BI-Mitstreiter sind dabei. ruttke Lizenz

zörbig/MZ - Gerade für diesen Tag haben sie sich gewünscht, dass es stinkt. Dass all die anderen Besucher riechen, wogegen sie kämpfen. „Das ist richtig ’schöner’ Verbio-Geruch, wie wir ihn seit Jahren und teilweise noch stärker ertragen müssen“, sagt Torsten Gieseke von der Bürgerinitiative (BI) „Zörbio - Aktion saubere Luft“. Mitstreiter haben am Wochenende den Tag der offenen Tür beim Biosprithersteller in Zörbig genutzt, um Flagge zu zeigen. Da zeigte sich der Frontenverlauf doch schon recht deutlich: Während die einen Druck machen wollen und zu wenig Verbesserungswillen bei Verbio ausmachen, bemüht sich deren Geschäftsführer Wolfram Klein um mehr Akzeptanz. Der Samstag, an dem zahlreiche Besucher bei den halbstündigen Führungen hinter die Tore des Werks blicken konnten, sollte eine Charme-Offensive sein. Nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Kritik von Bürgern an Geruchsbelästigungen. „Wir wollen auf die Zörbiger zugehen. Zeigen, dass wir hier nichts zu verheimlichen und die Prozesse unter Kontrolle haben“, sagt Geschäftsführer Wolfram Klein.

BI: „Bisher keine Veränderungen“

Genau das bezweifelt die BI. Mit neongelben Aufklebern an den Jacken brannten den Mitgliedern vor dem Rundgang die Fragen auf der Seele: Woher genau stammen die Gerüche? Wann bessert Verbio nach? Und wie geht das Unternehmen mit dem Thema Lärm um? „Wir haben das ganze Jahr über mit dem Gestank zu kämpfen. Mal mehr, mal weniger. Aber das schränkt unser Leben massiv ein“, sagt Gieseke. „Und dass die bei Verbio nicht wissen, wo der Gestank herkommt, können wir nicht verstehen.“ Große Teile Zörbigs seien betroffen.

Verbio: „Wollen gutes Verhältnis“

Die BI gibt sich kämpferisch an diesem Vormittag. Und sie haben wohl auch ordentlich Rückenwind bekommen. Im April fand erstmals ein Bürgertreffen mit Verbio statt. Der Saal war voll, die Stimmung mitunter gereizt. Man verständigte sich darauf, dass Verbio nachbessert. Seitdem bekommen sowohl das Unternehmen als auch Stadt, Landkreis und Landesverwaltungsamt die akribisch geführten „Geruchslisten“, in denen zusammengetragen ist, wann und wo Bürger unter Gestank leiden. „Doch bisher ist nichts geschehen - jedenfalls bemerken wir keine Verbesserung“, sagt Gieseke. Man sucht die Konfrontation, „weil unsere Geduld am Ende ist“.

Zu Verbio produziert in Sachsen-Anhalt und Brandenburg Bioethanol sowie Biodiesel und Biogas.

Das Werk für die Bioethanol-Produktion für Kraftstoffe ist in Zörbig 2004 in Betrieb gegangen. Es wird rund um die Uhr im Vier-Schicht-Betrieb gearbeitet. Das Werk für die Biogas-Produktion ging 2010 mit der weltweit ersten Bioraffinerie in Betrieb. Als Koppelprodukte entstehen Biodünger wie Stickstoff oder Kalium, die zurück in die Landwirtschaft gehen.

Insgesamt 95 Mitarbeiter sind in Zörbig beschäftigt. (lga)

Wolfram Klein ist die Kritik nicht gerade angenehm. Dass sie damals im April so massiv und in so großer Zahl vorgetragen wurde, habe ihn überrascht. Man wolle aber keine Frontenbildung. „Wir wollen ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis.“ Transparenz gehört offenbar dazu. Und seine Besuchergruppe zeigte großes Interesse an diesen Abläufen, die da hinter den Toren in riesigen Behältern und Anlagen vor sich gehen. Die Produktionsschritte, aber auch die Leistung sind es, die Klein herausstellt. Positive Aspekte eben.

Insgesamt 100 000 Tonnen Bioethanol produziert das Unternehmen jährlich in Zörbig für den Kraftstoff E 10. Momentan bestünde - nach einem Einbruch im vergangenen Jahr, der mit gestiegenen Rohstoffpreisen zu tun hatte - eine Auslastung von 80 Prozent. Im Jahr werden zudem 240 Gigawattstunden Biogas erzeugt. „Damit können 25 000 Einfamilienhäuser geheizt werden.“ Das Gas wird direkt ins Netz eingespeist und wird vor allem im Zörbiger Raum genutzt. „Wir haben hier mit der Bioraffinerie eine Anlage, auf die Zörbig auch stolz sein kann. Mit der Einspeisung besteht Versorgungssicherheit, die Anlage ist unabhängig von den Launen eines Herrn Putin.“

Zweite Abluftanlage angekündigt

Aber das mit dem Geruch, das beschäftigt die Besucher dann auch. „So ganz hermetisch ist das aber nicht. Vorhin habe ich etwas gerochen“, meint einer. Natürlich seien Gerüche wahrnehmbar, gerade diejenigen aus der Gasproduktion seien für die menschliche Nase schon ab einer niedrigen Schwelle unangenehm, so Klein. „Aber die festgeschriebenen Messwerte haben wir eingehalten. Man kann nie zu 100 Prozent ausschließen, dass es riecht.“ Dennoch: Man wolle nachbessern. So sind ist neben zwei neuen Fermentern eine zusätzliche Abluftreinigungsanlage geplant. Dafür soll rund eine halbe Million Euro investiert werden. „Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr die Genehmigung bekommen und mit dem Bau beginnen können“, so Klein. „Ich denke, dass diese zweite Anlage die Belastung deutlich senken wird.“ Nach dem Treffen im April habe man die Anlagen - auch nach Eingang von Geruchsprotokollen der BI - kontrolliert und zusätzliche Absaugungen geschaffen. „Wir nehmen die Bedenken ernst.“ Doch die Beweise, die sieht die BI noch nicht erbracht: „Bisher blieb es bei Lippenbekenntnissen. Und unsere Aufgabe ist so lange nicht erfüllt, bis Verbio seine Hausaufgaben erledigt“, meint Gieseke.