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Teamgeist vor und nach dem Spiel

Von Dieter Maertins 08.02.2006, 19:25

Wolfen/MZ. - Chemie Wolfen - das ist unbestritten der erfolgreichste Fußballclub der Region. 1952 stieg Chemie (Agfa) Wolfen in die zweithöchste Fußball-Spielklasse der DDR auf und hielt sich dort bis 1964. Ende der 50er Jahre verpasste es zweimal knapp den Aufstieg in die Oberliga. Nach dem Wiederaufstieg 1968 folgten mit Unterbrechungen weitere Liga-Jahre. Der Chemie-Nachfolger, der FC Grün-Weiß-Wolfen, ist der einzige Fußballclub, der seit Gründung der Verbandsliga Sachsen-Anhalt in dieser Liga spielt.

Helmut Wawrzyniak, Erhard Heilemann, Klaus Espig und Peter Kubern - dem Alter nach geordnet - sind Männer, die einen guten Teil der Geschichte des Wolfener Fußballs mitgeschrieben haben. Sie gehören zu jenen, die an der Ausstellung, die gemeinsam von der Stadt, dem FC Grün-Weiß Wolfen und dem Initiativkreis Bitterfeld-Wolfen erarbeitet wird, mitwirken.

Wawrzyniak spielte von 1955 bis 1971 für Chemie, trug die Rückennummer 10 und war so etwas, was man den Kopf der Mannschaft nennt. Heilemann stürmte mit Unterbrechungen von 1958 bis 1970 für die Chemiker. Er war sogar Torschützenkönig der Liga. Espig stand für Wolfens Erste von 1961 bis 1964 und von 1966 bis 1973 im Tor. Und Kubern lief ab 1969 in der Jahnstraße für Chemie auf den Rasen.

Bis 1915, so berichten sie, lassen sich die Spuren Wolfener Fußballs zurück verfolgen. "Das war ein Arbeitersport", sagt Wawrzyniak. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, gab es mehrere Mannschaften in der Stadt - neben Agfa Wolfen auch Dynamo, Vorwärts, Einheit und Chemie Wolfen-Greppin.

Fußball, sagen alle übereinstimmend, habe zu ihrer aktiven Zeit noch ganz anders funktioniert als heute. An vier Nachmittagen in der Woche wurde trainiert. Viel Wert wurde auf Teamgeist gelegt, nicht nur im Spiel, sondern auch davor und danach. Oft reisten auch die Frauen mit. War ein Spiel in Potsdam, stand auch Sanssouci auf dem Plan, in Dresden das "Grüne Gewölbe". Ja, die Familien sind sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Alle mussten zum Training für die neue Saison wieder da sein. Dennoch: "Der Zusammenhalt der Spieler und ihrer Familien war früher ganz anders", findet Heilemann.

Alle haben sie verschiedene Trainer erlebt. Jeder hatte, so sagt Kubern, so seine Eigenheiten. Noch heute stöhnt Wawrzyniak, wenn er daran denken muss, wie er einst mit einem Koloss von Mitspieler Kniebeugen machen musste. Der beste, findet Heilemann, sei Gerhard "Meppe" Richter gewesen. Der habe stundenlang mit den Spielern Einzelgespräche geführt.

Alle erinnern sich gern an ihre aktive Zeit. In der Liga waren Rostock, Erfurt und Stendal die Erzrivalen. Die Pokalspiele gegen Oberliga-Teams seien für sie immer was Besonderes gewesen. Gegen Manfred Zapf oder "Paule" Seguin von Magdeburg, Bernd Bransch und Klaus Urbanczyk vom HFC oder Jürgen Croy mit Zwickau und wie sie alle hießen zu spielen, sei ein Erlebnis gewesen. Erst recht vor 3 000 und mehr Zuschauern. "Heute kommen ja gerade mal 300 zu Grün-Weiß ins Jahn-Stadion", sagt Espig. Sogar international

hat Chemie-Wolfen seine Spuren hinterlassen, etwa in Marseille oder Brno. Kurz vor dem Mauerbau - im Juli 1961 - waren sie im Westen, durften aber nicht spielen. "Von oben" war angeordnet worden, das Vereinsemblem mit dem DDR-Wappen zu überdecken.

Die Frage ist ein Muss an alte Fußballexperten.Werden die Deutschen im eigenen Land Weltmeister? Heilemann, Wawrzyniak und Espig sind da eher skeptisch. Wenn die Klinsmann-Truppe die Gruppenphase übersteht, könnte sie zufrieden sein. Es fehle einfach an Weltklasse-Leuten. Nur Kubern ist sich da nicht sicher. "2002 hat auch keiner den Deutschen den Einzug ins Finale zugetraut", gibt er zu bedenken. Deutschland habe eine Turniermannschaft.