Strecke Bitterfeld-Stumsdorf Strecke Bitterfeld-Stumsdorf: Muss «Saftbahn» wirklich sterben?
Bitterfeld/MZ. - Pünktlich verlässt der kleine Triebwagen das Bitterfelder Bahnhofsgelände. Eine halbe Stunde später steigen die letzten Fahrgäste in Stumsdorf aus dem Zug. Else Butz verlässt bereits in Zörbig die "Saftbahn". Einheimische haben den Zug vor langer Zeit so getauft. Sie fährt zum ersten Mal diese Strecke. "Und vielleicht auch das letzte Mal", sagt die Seniorin, die bereits davon gehört hat, dass diese Strecke aus Kostengründen vom Land zum 1. Oktober stillgelegt werden soll (MZ berichtete).
Sebastian Juszcz aus Sandersdorf, der in Halle studiert und jeden Tag den Zug benutzt, wird hellhörig. Er kann die Begründung des Landes nicht nicht nachvollziehen. Wenn er morgens in Sandersdorf zusteige, dann sei nicht einmal ein Sitzplatz zu bekommen. Nachmittags sehe das etwas anders aus. Aber auf allen Strecken gäbe es doch Zeiten, an denen weniger Fahrgäste die Bahn nutzen. "Außerdem ist der Zug viel schneller als der Bus", bringt der 23-Jährige noch ein weites Argument ins Spiel.
Denn neben zwölf Zugverbindungen (früh und abends stündlich, sonst aller zwei Stunden) in beide Richtungen verkehren noch sechs Busse des Regionalverkehrs zwischen Bitterfeld und Zörbig - immer in den "Taktpausen". Laut einer Absprache zwischen Bus und Bahn gibt es auch eine gegenseitige Fahrscheinanerkennung. "Das heißt", erklärt der Sachgebietsleiter Wirtschaftsentwicklung bei der Kreisverwaltung, Hans-Olaf Quasdorf, "dass auf dieser Strecke mit dem gleichen Fahrschein sowohl der Bus, als auch der Zug benutzt werden kann." Nach einer Erhebung, die seine Behörde durchgeführt hat, werde der Bus jedoch stärker angenommen, weil er flexibler eingesetzt werden kann, auch mehr Haltestellen in den größeren Orten anfährt - nicht nur den Bahnhof.
Dem widerspricht ganz energisch Sebastian Herbsleb, der Mitglied im Fahrgastverband "Pro Bahn" Mitteldeutschland ist und sich seit Jahren für die "Saftbahnstrecke" stark macht. Nach einer jüngsten Fahrgastzählung von "Pro Bahn" stünde sogar fest, dass der Zug in letzter Zeit von rund 20 Prozent mehr Leuten genutzt wird. "Vielleicht wären es noch mehr", überlegt der junge Mann, "wenn der Triebwagen attraktiver wäre und die Strecke schneller." Darin sieht er vor allem die Reserven.
Werner Hartmann, Bürgermeister von Stumsdorf, weiß zwar, dass die Züge morgens und abends voll sind, aber sonst gähnende Leere herrscht. Er sei zwar dagegen, dass die Strecke stillgelegt wird, aber die Rentabilität sei die andere Seite, gibt er zu überlegen.
"Als ich heute morgen davon hörte, war ich erst einmal sehr erschrocken", gibt Jutta Mädchen, Hauptamtsleiterin der Verwaltungsgemeinschaft Zörbig, ihre ersten Eindrücke wider. Natürlich sei es im Amt sofort Gesprächsstoff Nummer eins gewesen. Und natürlich werde es eine Reaktion der Stadt Richtung Landesregierung geben.
Das hat auch Sebastian Herbsleb vom Fahrgastverband angekündigt. "Wir werden selbstverständlich das Gespräch mit der Landesregierung suchen und dort unsere Argumente vortragen", sagte er auf MZ-Anfrage. Er hoffe natürlich, dass es nicht zum äußersten kommt, und die Bahnstrecke wirklich stillgelegt wird.