Bitterfelder Stadtbad Stadtbad Bitterfeld: Über Jahrzehnte ein Paradies für Wasserratten

Bitterfeld - Für die meisten war es ein langer Weg. Doch das störte kaum. Wenn das Bitterfelder Stadtbad zu Saisonbeginn seine Pforten öffnete, dann strömten die Menschenmassen zum Ortsausgang Ecke Wittenberger/Berliner Straße.
Dort befand sich das Areal - direkt gegenüber des heutigen Stadthafens an der Goitzsche. Große wie kleine Leute tummelten sich da. Schließlich bot das Sommerbad, wie es auch genannt wurde, mehr als Badevergnügen.
Idyllisches Freibad mit Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich
Das Gelände war idyllisch angelegt. Es verfügte über einen Schwimmer- und einen Nichtschwimmerbereich, die durch einen Laufsteg voneinander getrennt waren. Später wurde dieser Steg durch ein rotes Gitter ersetzt.
Das nutzten die Mutigen gern, um ihre Tauchkünste unter Beweis zu stellen, indem sie durchschwammen. Um das Becken herum führte eine sogenannte Fußwaschrinne - auch die war beliebt und wurde von den Jüngsten gern zum Planschen genutzt.
Doch jene hatten noch einen eigenen Bereich: Auf einer Anhöhe, die über eine Treppe zu erreichen war, befand sich ein Planschbecken.
Weiträumige Liegewiesen mit großen Bäumen auf dem gesamten Gelände
Auf der gesamten Anlage gab es weiträumige Liegewiesen mit großen Bäumen, die auch für schattige Plätze sorgten - ausreichend Möglichkeiten also zum Ausruhen und Toben, für Spiel und Sport. Die meisten brachten sich eine Decke mit und machten es sich darauf gemütlich.
Ganze Ferien und Urlaube wurden so verbracht. Viele hatten ihren Proviant mit, schließlich macht Baden hungrig. Belegte Brote und Obst, Brause oder Cola - selbst Kartoffelsalat. Und die heißen Würstchen dazu konnte man sich am Kiosk kaufen.
Dort herrschte meist reger Betrieb, denn es gab auch viele andere Dinge wie Süßigkeiten und Eis. Nicht zu vergessen die leckere rote Fassbrause.
Eröffnet wurde das Bitterfelder Stadtbad am 5. Juli 1938. Einige Jahre vorher waren die Stimmen immer lauter geworden, dass die Stadt für ihre Einwohner ein künstlich angelegtes Bad erbauen möge, wie sie in anderen Orten bereits seit Jahren existierten.
Als Grund wurde genannt, dass das Baden in der Mulde mit ihren unberechenbaren Strömungen zu gefährlich ist. Freibäder gab es bis dato nur an Mulde und Leine.
Bauarbeiten für das Bad begannen bereits 1937
Erste Entwürfe für das Sommerbad wurden 1936 diskutiert. Dann stand der endgültige Entwurf samt Standort fest, das erforderliche Geld von 135.000 Reichsmark wurde in den Haushalt eingestellt - 1938 kamen 75.500 Reichsmark hinzu. Die Arbeiten konnten also beginnen.
Dazu fand im März 1937 eine Absprache zwischen dem Stadtrat Sommer und SA-Sturmführer Hanke statt. Man einigte sich darauf, dass die Erdarbeiten in freiwilliger Gemeinschaftsarbeit ausgeführt werden. Jeder Freiwillige sollte wöchentlich an einem Abend drei Stunden im künftigen Bad arbeiten.
Folgendes war für die rund zehn Morgen große Fläche konzipiert: 3.922 Quadratmeter sollten als Wasserfläche dienen - davon 2.250 Quadratmeter für das Nichtschwimmerbecken (75 mal 30 Meter) und 1.000 Quadratmeter für die Schwimmer (50 mal 20 Meter).
192 Quadratmeter waren für die Sprungturmfläche konzipiert, der Turm sollte in fünf, drei und einen Meter unterteilt sein. Für das Kinderplanschbecken galten die Maße 24 mal 20 Meter.
In den 1970ern wurden umfangreiche Reparaturarbeiten notwendig
An Gebäuden waren vorgesehen: ein Kassenhäuschen, ein Gebäude zur Kleideraufbewahrung, zwei Gebäude mit Umkleidekabinen (je eins für Männer und Frauen), Waschplätze, Toilettenanlagen, Turnplatz und eine Verkaufseinrichtung für Erfrischungen.
Im April 1937 begannen dann die Bauarbeiten für das städtische Bad. Allerdings gestaltete sich das Ganze zäh und krampfhaft, auch traten einige Probleme auf. Um die geforderte Tiefe für die Sprunggrube zu erreichen, konnte die bauausführende Firma die Betondecke nicht in der geforderten Stärke aufbringen.
Grund: Die Baugrube war nicht tief genug ausgehoben und das Grundwasser für die Zeit der Bauarbeiten aus Kostengründen nicht um 3,50 Meter abgesenkt worden. Unter anderen diese Probleme führten dazu, dass in den 70er Jahren umfangreiche Reparaturarbeiten nötig wurden, wobei auch die Sprunggrube verfüllt und der Sprungturm abgerissen wurden.
Tausende Badegäste bereits in den ersten Jahren des Bestehens
Schon in der ersten Woche seines Bestehens war das Bad stark gefragt, bis zum Ende der Saison wurden 70.000 Badegäste gezählt. Diese Resonanz sollte sich auch in den kommenden Jahrzehnten nicht ändern.
Ebenfalls etwa in den 70er Jahren wurde auf dem Gelände ein Ferienspielzentrum für die Mädchen und Jungen aus den Schulen eingerichtet.
Pikant: 1979 hatte die Feriengestaltung ein besonderes Motto: „Meine Heimat, die DDR - Pioniere und Schüler bereiten sich auf den 30. Jahrestag der DDR vor“. Und dafür wurden für die Kinder im Ferienspielzentrum solche Höhepunkte wie Schwimmfest und Kinderdisko, Betriebsbesichtigungen, Buchlesungen und Besuche der Feuerwehr organisiert.
Nach der Wende waren die Tage des Bitterfelder Stadtbades gezählt
Nach der Wende waren leider auch die Tage des Bitterfelder Stadtbades gezählt. Weil viele Jahre nötige Instandhaltungsarbeiten kaum durchgeführt wurden, war nun dringend eine umfangreiche Sanierung erforderlich. Doch die Kassen der Stadt gaben das nicht her. 1992 öffnete die Einrichtung zum letzten Mal.
Dennoch wurde die Hoffnung nicht aufgegeben. Viele machten sich stark dafür, die wunderschöne Anlage, in der Generationen groß geworden sind, zu retten. Eine Bürgerinitiative gründete sich, später eine Interessengemeinschaft.
Zwischenzeitlich ist auch immer wieder der Bau eines Spaß- und Erlebnisbades diskutiert worden - selbst der Stadtbad-Standort stand zur Debatte. Doch am Ende sind alle Versuche gescheitert, auch ein Spaßbad kam nicht.
Die Diskussionen um das Stadtbad-Areal indes sind bis heute nicht verebbt: Seit Jahren soll auf dem Gelände ein Wohngebiet mit Einfamilienhäusern entstehen, doch auch hier ist es bislang beim Vorhaben geblieben. (mz)



