St. Norbert in Jeßnitz St. Norbert in Jeßnitz: Antrag auf Abriss gestellt
Jeßnitz/MZ. - Was wird aus St. Norbert? Die katholische Kirche in Jeßnitz ist durch das Augusthochwasser so schwer beschädigt worden, dass sie seitdem geschlossen bleiben muss: Lebensgefahr.
Pater Fritz Biermann erklärt den Standpunkt des Wolfener Pastoralteams. "Der Kirchenvorstand hat einen Antrag auf Abriss gestellt. Das Haus kostet ja Geld, auch wenn es nicht genutzt wird - wir mussten zu einer Entscheidung kommen. Seit Jahren versuchen wir, das Gebäude anders zu nutzen. Es funktioniert nicht."
Das Bistum hat den Abriss-Antrag noch nicht bestätigt. Doch dürfte der Schritt auch im Interesse der Behörde liegen. Wie im kommunalen ist auch im kirchlichen Bereich die finanzielle Decke an allen Enden zu kurz. Im Pfarrverband Wolfen beispielsweise, zu dem die katholischen Gemeinden von Greppin, Jeßnitz, Raguhn und Wolfen gehören, sind nur rund drei Prozent der Bevölkerung katholisch. Da kommt nicht viel Kirchensteuer. Zu 53 Prozent, erklärt der Pater, finanziere sich das Bistum Magdeburg, zu dem der Pfarrverband gehört, aus Mitteln, die aus westlichen Bistümern fließen.
Die Kirchen in Deutschland befinden sich jetzt vor allem aus diesem Grund in einer Neuorientierung. Gemeinden tun sich zusammen zu Pfarrverbänden - mal freiwillig, mal mit mehr oder weniger Druck von oben. In diesem Prozess, meint er und lächelt verschmitzt, seien sie weiter als die Kommunen.
Zirka 2 500 Katholiken zählt der Pfarrverband Wolfen. Ihm gehören fünf Kirchen. Bauwerke, die unterhalten und finanziert werden müssen. "Das sind einfach zu viele", sagt Biermann. Und erklärt, dass die ohnehin kleinen Gemeinden im Osten weiter schrumpfen. Besonders bemerkbar hat sich das in Wolfen-Nord in den vergangenen Jahren gemacht. Aber auch in St. Norbert saßen von den rund 100 Katholiken der Stadt nur 30 in den Bänken. Dennoch fand regelmäßig an einem Wochentag sowie am Sonntag hier Gottesdienst statt.
Biermann weiß sehr wohl, dass die Entscheidung gegen das Bauwerk gerade älteren Jeßnitzern weh tut. Viele von ihnen haben das Gotteshaus 1954 mit aufgebaut. Gerade dieser Tage habe eine ältere Frau ihm gesagt, wie sehr die Kirche zu ihrem Leben gehört. Hochzeit, Kindtaufe, Gottesdienste, Trauerandacht - alles das war in St. Norbert. "Das Herz hängt sehr stark dran", sagt er.
Das neue Gemeindezentrum "Edith Stein" in Wolfen-Nord - nur wenige Kilometer entfernt - ist seit Oktober 1999 der Mittelpunkt der Gemeinde. Immer öfter aber hört Biermann von den Jeßnitzern heute die Frage: Warum ist das Gemeindezentrum überhaupt gebaut worden?
Der Pater, der 1998 aus Münster nach Wolfen kam, hat recherchiert. Über 30 Jahre, sagt er, haben die Katholiken - genau wie die Protestanten - um ein Gemeindezentrum gekämpft. Offenbar sei man auch nach der Wende davon ausgegangen, dass sich Wolfen-Nord weiter entwickeln wird. Selbst als er nach Wolfen kam, sei die Wegzugswelle noch nicht so groß gewesen wie jetzt.
"Ich denke, der Weg zum Gemeindezentrum ist nicht zu weit. Fast jeder hat heute ein Auto. Es können Busse eingesetzt werden, die die Leute holen und bringen. Alles wäre billiger als St. Norbert", ist sich Biermann sicher. Dass das Bistum die Entscheidung noch in diesem Jahr fällen wird, glaubt Pater Fritz Biermann allerdings nicht. "Aber wir müssen drängen: Feiern wir 2004 nun 50 Jahre Kirche oder 50 Jahre Ruine?" Kommentar S. 11