Sperrzone für die Schwarzkittel
MÖST/MZ. - Letztens erst habe ein Kunde aus Gröbers gesagt, sofort vom Mähdrescher zu springen, wenn er nur einen Jäger von weitem sieht. So wie der Mann kommen etliche zu Seidel und seiner Schwester Marlies Lott nach Möst, um etwas zu tun, damit die Schwarzkittel gar nicht erst in den Schlag gelangen.
"Im Bergischen Land oder um Dortmund herum gehören beispielsweise viele Jagdgesellschaften zu unseren Kunden", erzählt Marlies Lott, die seit mehr als 30 Jahren die Firma "Curt Seidel - Elektroweidezaun" führt, die einst ihr Vater gegründet hatte. Rinder, Schafe, Pferde auf der Weide oder Koppel zu halten, ist längst nicht mehr das einzige Einsatzgebiet für die Weidezäune.
"Die Abwehr von Wild nimmt immer mehr zu", sagt die Chefin. Reh- und Schwarzwild habe sich auch jahrelang auf ehemaligen Truppenübungsplätzen im Osten ungestört entwickelt. "Um ihre Kulturen zu schützen, müssen die Landwirte etwas tun." Die kleine Firma Seidel, heute ein reiner Familienbetrieb, ist in Fachkreisen ein Begriff. Nicht zuletzt, weil der Name Seidel für viele Patente steht - und "99,5 Prozent zufriedene Kunden hat", wie Marlies Lott sagt. Sie selbst in Möst anzutreffen, ist aber gar nicht so leicht. Auf 12 bis 14 Messen im Jahr ist die 71-Jährige unterwegs, hat Kunden nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in Holland, Dänemark, Österreich . . ., die sie oftmals persönlich beliefert.
40 000 bis 50 000 Weidepfähle fertigt der Betrieb im Jahr. Vier Pfähle werden je hundert Meter Weidefläche gebraucht. Seit Firmenbestehen ist das Walzwerk Finow Zulieferer der Eisenpfähle. In der kleinen Möster Werkstatt, in der Maschinen stehen, die schon seit über 70 Jahren ihren Dienst tun, werden sie von Lotts Ehemann Reinfried bearbeitet. Hier wird geschweißt, gestanzt, werden Spitzen geschnitten. Anschließend werden die Pfähle in Ilberstedt verzinkt. Die Isolatoren, die eine Erfindung von Manfred Seidel sind, fertigt ein Betrieb im Erzgebirge - mit Werkzeug, das die kleine Firma ebenfalls selbst entwickelt hat. "Auch bei Regen und Unwetter", versichern Lott und Seidel, "bieten unsere Zäune Sicherheit." Das beste Beispiel hat Manfred Seidel hinter seinem Haus zu bieten. Seit der Rübenschlag des Nachbarn damit ausgerüstet ist, hat kein Wildschwein sich hier mehr gelabt. Würden die Schwarzkittel es doch tun wollen, kämen sie mit der vollen Wirkung des Stroms in Berührung. Das Ziel lautet Abschreckung. Die Tiere sollen erst gar nicht in Versuchung kommen, den Zaun umzurennen.
Weit mehr als heute waren die Seidelschen Zäune zu DDR-Zeiten gefragt, als alles durch den staatlichen Handel geregelt war, der Fachausschuss Weidezaun der Kammer der Technik die Weichen für das Sortiment gestellt hatte. Mit der Wende waren die Produkte plötzlich nichts mehr wert - und nicht mehr gelistet. "Dabei hatten wir große Hoffnungen, wir wollten uns entwickeln", blickt Marlies Lott zurück. Die Firma stürzt auf Null, die acht Mitarbeiter müssen gehen. So ziehen sich ihr Bruder und dessen Frau den Blaumann an, auch Tochter und Schwiegersohn helfen, damit die Firma wieder auf die Beine kommt. Für die Kunden ist sie quasi rund um die Uhr da - ob in der Woche oder am Wochenende. "So lange, wie wir es schaffen, bleiben wir da", sagt Marlies Lott.