Sehr viel Klasse statt Masse Sehr viel Klasse statt Masse: Warum das Dorf Krina immer wieder für Aufsehen sorgt

Krina - Genau 601 Einwohner. Dazu ein Stein, der den Mittelpunkt des einstigen Deutschen Kaiserreichs markiert. Eine sanierte Kirche, Sportanlagen, Wald. Und jede Menge Ruhe. Das ist Krina. Das Heidedorf gehört seit zehn Jahren zur Gemeinde Muldestausee und ist dieser Tage noch ruhiger als sonst.
Als die MZ mit Ortsbürgermeister Horst Lehmann unmittelbar vor Erlass der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen unterwegs war, scherzte der. „Wer Ruhe sucht, ist hier genau richtig.“ Lehmann und seine Begleiter ahnten damals noch nicht, dass es noch ruhiger gehen würde im Ort.
Es ging ruhiger. Im Gemeindehaus finden heute keine Veranstaltungen mehr statt. Auch der Ortschaftsrat tagt nicht. Die Ausbreitung des Virus soll verhindert werden. Von großen Festen musste man sich hingegen nicht verabschieden. Noch nicht. Denn die Jahr für Jahr von der Feuerwehr auf die Beine gestellte Halloweenparty soll erst Ende Oktober steigen. Bis dahin - so hoffen es die Krinaer - soll das Leben wieder in halbwegs geordneten Bahnen laufen.
Im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ punktete Krina gleich mehrfach
Auf Ordnung legen sie ohnehin sehr viel Wert in der Heide. Im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ punkteten sie gleich mehrfach. Sieger auf Kreisebene, Zweitplatzierte beim Landeswettbewerb: Die Urkunden aus der Zeit der Jahrtausendwende hängen noch immer im Büro des Ortsbürgermeisters.
„Damals war die Welt noch in Ordnung“, meint Horst Lehmann. Alles war picobello. Das Dorferneuerungsprogramm hatte sichtbar Spuren hinterlassen. „Ja, wir sind mit dem Straßenbau durch“, sagt der Ortsbürgermeister auch. Aber warum dann doch die Meinung, dass früher alles besser gewesen sei?
Für Lehman, Sigmar Stein, Erich Hintersdorf und die anderen Krinaer, die sich dem Rundgang durch „ihr“ Dorf angeschlossen haben, geht es weniger um bauliche Belange. Es geht um Entscheidungen im Ort. Um schnelles Handeln. „Beispiel gefällig?“, fragen sie und präsentieren Störendes. Auf der Rabatte zwischen Straße und jetzigem Therapiezentrum wachsen Gras und Unkraut.
Die Krinaer stören sich an Kleinigkeiten
„Da ist früher unser Gemeindearbeiter hin. Heute muss alles zentral über den Bauhof geregelt werden.“ Die Krinaer stören sich an Kleinigkeiten. An Unkraut und an den Lindenbäumen, die doch gestutzt werden müssten. Aber es gibt auch größere Dinge. Die Tatsache zum Beispiel, dass es trotz genehmigtem Bebauungsplan nicht richtig vorwärtsgeht mit einem weiteren Baugebiet. Warum? Schulterzucken.
Dabei sind viel Dinge da im Ort. Breitband liegt an. Auf dem Sportplatz laden die Fußballer bei den Heimspielen der SG Krina/Pouch/Schwemsal in der 1. Kreisklasse zum Bierchen ein. Und selbst in Corona-Krisenzeiten ist die Versorgung nicht komplett zum Erliegen gekommen. Tante Emma heißt in Krina Onkel Torsten. Seit 1991 betreibt Torsten Heinrich seinen kleinen Laden. „Hier findet jeder alles. Alles steht so, wie zur Eröffnung“, erzählt Heinrich. Wieder so ein Fall von guter Ordnung. Und ein Beispiel, dass es sich im Dorf recht gut leben lässt.
„Wir leben gern hier. Wir kennen uns auch schon Jahrzehnte.“
Allerdings gehört ein ordentliches Maß an Mobilität zum Wohlbefinden. Schule oder Kita gibt es nicht. Auch keinen Arzt. „Aber eine schöne Kirche“, schwärmt Erich Hintersdorf. Das Gotteshaus wurde in den letzten Jahren grundhaft saniert. Kostenumfang: Mehrere Hunderttausend Euro, von denen ein nicht unerheblicher Teil von der kleinen Kirchengemeinde selbst aufgebracht worden war. Der Wandel von der grauen Maus zum Schmuckstück ist gelungen. Und mit Jochem Poensgen hat ein international anerkannter Künstler in Sachen Fenster und Innenausmalung Spuren hinterlassen.
„Wir leben gern hier. Wir kennen uns auch schon Jahrzehnte“, erklären Lehmann, Hintersdorf und Stein im Chor. Um dann doch noch ein Problem anzusprechen. Der Wolf macht ihnen Sorgen. Isegrim hat sich ihrer Meinung nach zu sehr vermehrt in der Heide. „Der stellt die Ordnung auf den Kopf“, meint Lehmann. Und Stein pflichtet ihm bei. Gerade Rotwild sei aus Eigenschutz nur noch in Großgruppen unterwegs. „Gehen die über die Saat, ist erst einmal alles vorbei auf dem Feld.“ (mz)



