Segeln Segeln: Junge Optimisten im «Optimist» unterwegs
BITTERFELD/MZ. - Raik Wollenbecker hat alles fest im Blick. Wie ein Hirtenhund seine Herde umkreist der Kinder- und Jugendcoach des Bitterfelder Yachtclubs mit dem Motorboot immer wieder die kleinen Jollen auf dem großen Goitzschesee. Insgesamt 15 Nachwuchssegler im Alter von acht bis 13 Jahren trainiert er. An diesem schönen Donnerstagnachmittag sind sieben Jungen und Mädchen in ihren Booten der Klassen "Optimist A und B" auf dem Wasser. Die kleinen Ein-Mann-Jollen stehen dicht gedrängt und warten auf das Signal zum Kenterstart - dem nächsten Manöver. Es bleiben noch drei Minuten.
Auch die Boote "Herminator" und "Zwilling" wippen unruhig auf den Wellen auf und ab. In ihnen sitzen Hermann und Wilhelm. Beide sind zwölf Jahre alt. Beide tragen den gleichen Nachnamen - den von Raik Wollenbecker, dem Coach und Vater der Zwillinge. Seit ihrem siebten Lebensjahr trainieren die Brüder auf dem Wasser, bestreiten erfolgreich Regatten im gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus.
Um dieses Niveau zu erreichen, muss man dran bleiben und die Strapazen auf sich nehmen. So wie die anderen Segler, die nun das Motorboot umschwirren und auf den Kenterstart warten. Noch eine Minute. Dann das Signal. Ein Boot nach dem anderen wird gekentert, treibt wenige Sekunden später kieloben, also "auf dem Kopf". Die Kinder ziehen sich aufs Boot, müssen stehen, damit die Übung gewertet wird. Dann heißt es: Zurück ins Wasser, das Boot 180 Grad zurückdrehen, sich hineinziehen, starten und gleichzeitig das Wasser aus dem Bootsinneren schöpfen. "Wir üben diese Situation, da sie bei Regatten eintreten kann und schwierig zu bewältigen ist", sagt Wollenbecker, "man muss sich schnell aufrichten, weitersegeln, darf keine Zeit verlieren."
Wollenbecker weiß, wovon er spricht, denn er hat sowohl die sportlichen als auch pädagogischen Erfahrungen. Ursprünglich war der Hallenser bis 1989 Lehramtsstudent, entschied sich danach für den Anwaltsberuf. Mitte der 1990er Jahre kommt er zum Segeln, nimmt wenig später mit der Segeljolle "Ixylon" - gebaut in Bitterfeld - auch an Wettkämpfen teil.
"Die Fortbewegung durch die Naturgewalten ist faszinierend, man erreicht enorme Geschwindigkeiten", schwärmt er. "Ich weiß, Segelflieger denken genauso." Aber der Sport bietet für Wollenbecker noch mehr. "Auf dem Wasser kann ich entspannen. Dabei ist die Kinder- und Jugendarbeit positiver Stress für mich. Doch leider lässt die Arbeit nur ein Training pro Woche zu", sagt der Coach.
Dieses muss effektiv sein, denn bereits Ende September steht mit der Landesjugendmeisterschaft auf der Goitzsche der nächste Wettkampf vor der Tür. Etwa 100 Jollen werden dann hier an den Start gehen. Wollenbecker senior blickt diesem Ereignis gelassen entgegen. "Objektiv betrachtet stellen wir in Sachsen-Anhalt die leistungsstärksten Segler", sagt der Kinder- und Jugendcoach und veranschaulicht es an der "Far East"-Rangliste: "Dort steht Wilhelm bundesweit auf Rang sechs, Hermann belegt Platz 13." Schaue man sich alle Ergebnisse der Bitterfelder Nachwuchssegler an, bleibe nur ein Fazit: "Wir haben uns in Mitteldeutschland als Leistungszentrum etabliert." Dennoch schätzt Wollenbecker die Zukunft realistisch ein. "Das Leben der Kinder soll sich nicht nur um den Sport drehen", sagt er, "im Mittelpunkt steht vor allem eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, durch die man etwas für das Leben lernt." Dabei sei Segeln mit Schach vergleichbar - wobei hier neben der richtigen Taktik auch die Athletik zähle. Das wissen auch Wilhelm und Hermann. Die Brüder begegnen sich auf dem Wasser als Konkurrenten und Trainingspartner. "Man hilft dem anderen natürlich auch", sagt Hermann. Die entsprechenden Ratschläge bekommen sie vom Coach. "Wir werden aber nie bevorzugt", sagt Wilhelm. Dann steht auch schon der nächste Kenterstart an. Und Raik Wollenbecker umkreist wieder alle seine Schützlinge wie ein Hirtenhund seine Herde.