Pflanzensammlung war Ausgangspunkt Regionale Geschichte und ökologische Fragen: im Bitterfelder Museum gastiert neue Ausstellung
„Vegetation unter Strom“ heißt das Projekt, das am Bauhauslab durch internationale Kuratoren entstand.

Bitterfeld/MZ - Pierre Klein hat Blätter im Herbst fotografiert. Ein beliebtes Motiv - doch für den Franzosen kommt es auf die Details an. Dort sieht der Betrachter verfärbte Stellen, wiederholt. „Sammlung von Anomalien“, heißt dieser Beitrag der neuen Ausstellung „Vegetation unter Strom“, die aus einer Kooperation des Kreismuseums und des Dessauer Bauhaus Lab entstanden ist.
„Die Schau fragt nach dem Umgang des Menschen mit Ressourcen“, sagte Museumsleiter Sven Sachenbacher zum Auftakt. „Wir gestalten die Natur neu, wissen aber nicht, was dabei heraus kommt.“ Bitterfeld spiele nun in einer Liga mit London, Montreal und Boston - überall dort waren in den vergangenen Jahren Ausstellungen des Bauhaus-Lab-Programms zu sehen.
Ohne Kohle kein Bauhaus
Warum gerade der Blick in die Umgebung Dessaus so wichtig ist, erklärte Akademieleiterin Prof. Regina Bittner: Walter Gropius selbst pries die reichen Kohlevorräte der Region an, um das Bauhaus beheizen zu können. Und auch Braunkohle sei einmal pflanzliches Material gewesen. Diese Ideen haben die acht Kuratorinnen und Kuratoren aus der ganzen Welt für das Programm genutzt. „Es war eine tolle Atmosphäre, als die Gruppe das Museum auf den Kopf gestellt hat“, erinnerte sich der Museumsleiter. Im Oktober hatten die Architekten, Designer und Künstler das Herbarium mit Pflanzen aus dem Goitzschewald aus den 1930ern, das im Bitterfelder Museum liegt, untersucht. Zur Eröffnung konnten sie jedoch nicht anwesend sein - was Prof. Bittner bedauerte.

Zeitzeugen kommen zu Wort
Elf Konstellationen sind aus dieser „Black Box“ entstanden. Kartenmaterial, alte Zeitungsartikel, Filme zum Ansehen und Anhören eröffnen dem Besucher einen Blick auf die vielschichtigen Themen. Die Kuratorinnen haben zum Beispiel Zeitzeugen, die aus den Orten Niemegk und Döbern stammen, interviewt. Beide Dörfer mussten zu DDR-Zeiten für den Kohleabbau weichen. Die ehemalige Leiterin der Umweltbibliothek Heidi Karstedt ist ebenfalls zu hören. „Wir waren davon überzeugt, dass Bitterfeld einen Neuanfang braucht, ein lebenswertes Umfeld für seine Menschen“, sagt sie im Video. In einem kleinen Heft können Besucher zudem ergänzen, welche Bücher in einer neue Umweltbibliothek zu finden sein sollten.
Dass sich Bitterfeld zum Guten gewendet hat, finden Elke und Ulrich Groll. Die Bitterfelder waren zur Ausstellungseröffnung am Mittwoch gekommen. Zwar habe er mehr Biologie erwartet, so Ulrich Groll. Doch die Auseinandersetzung von Künstlern mit dem Thema sei interessant, besonders eine hydrologische Karte hatte es ihm angetan. Auch die Aquarelle, die angehende Gestaltungstechniker aus dem Berufsschulzentrum Bitterfeld zur Ausstellung beisteuerten, lobten sie. Und erinnerten sich an die Zeit, als noch Bagger in der Goitzsche standen: „Gehört hat man es immer.“ Den Auenwald, der dem Kohleabbau weichen mussten - den kannten sie allerdings nicht mehr.
Bis zum 24. Juli gastiert die Ausstellung im Kreismuseum.