Kinder von Wolfen-Nord Platte in Wolfen-Nord: Ehemalige Bewohner in der alten Heimat

Wolfen - Martin Rossdeutscher wohnt in Hof bei Riesa. Stefanie Lührs ist in Bremen zu Hause. Der Mittfünfziger und die 33-Jährige haben dennoch eines gemeinsam. Sie sind Kinder von Wolfen-Nord und bekommen Heimatgefühle, wenn sie an das Plattenbaurevier denken. Deshalb haben sie Hunderte Kilometer unter die Räder genommen, um die Heimattour zu feiern.
Die ist die Party für alle, die sich mit der Platte verbunden fühlen. Stefan Merkel wohnt noch dort. „Wir waren hier 50 Leute. Eine große Clique. Geblieben ist nichts.“ Deshalb nutzte Merkel die sozialen Medien. Er scharte auf Facebook die Gruppe der „Kinder von Wolfen-Nord“ um sich und wurde zuletzt vom Erfolg überrollt.
Heimat für viele
Die Platte zieht. Ein Wiedersehen in kleiner Runde reichte nicht mehr. Zumal Wolfen-Nord 56 Jahre nach seiner Grundsteinlegung eben längst nicht nur für Abriss steht.
„Das ist auch Heimat für viele.“ Als Merkel die Kraft auszugehen drohte, sprangen Leute wie Oliver Hoppe und Michael Horn ins Boot. Sie kurbelten für den Erfolg und brachten die Party zum Laufen.
Erstaunlich für den Inhaber einer Marketingfirma und den Veranstaltungsprofi: Firmen unterstützten ebenso wie Künstler das Wiedersehen der Kinder von Wolfen-Nord. Bianca Graf, die Tanzgruppe „Stardust“ oder Martin Rossdeutscher haben allesamt einen Bezug zu Wolfen-Nord. Sie sorgten für gute Laune und das Gefühl, dass Leben im Plattenbaurevier durchaus angenehm sein kann.
Lebensgeschichten in der Platte
Heike Fischer hat Wolfen-Nord wie Martin Rossdeutscher mittlerweile den Rücken gekehrt. Vergessen haben beide ihre Wurzeln nicht. Die Frau hat fast ihr ganzes Leben hier verbracht.
Rossdeutscher hat hier Bäume gepflanzt. Als er vor gut 35 Jahren mit Bianca Graf in der Gruppe „Intension“ spielte, bot das wachsende Neubaugebiet Aussicht auf besseren Wohnraum. Mitte der Achtziger bezog die Familie eine Wohnung in der Raguhner Schleife Nummer 8. „Die Bäume, die ich damals gepflanzt habe, wachsen heute noch.“ Rossdeutscher hat sich umgeschaut an dem Ort, der Spuren hinterlassen hat. „Die Verbindung bleibt.“
Wiedersehen nach 10 Jahren
Das meint auch Stefanie Lührs. Die junge Frau ist mit Mann und Kind zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. „Das erste Mal seit zehn Jahren. Von Bremen ist das ja kein Katzensprung“, erzählt sie, während die Tochter bei der Wiedersehensparty rund ums Frauenzentrum ihre helle Freude am Karussellfahren hat.
„Grund- und Sekundarschule gibt es noch. Mein Bruder ist auch noch hier. Ich freue mich, wieder mal hier zu sein.“ Die Heimattour der Kinder von Wolfen-Nord setzte auf der Zielgeraden einen Kraftakt voraus. „Wir sind gern eingesprungen und freuen uns über den Zuspruch“, erklärt Michael Horn. Er rät zum Blick in die Runde.
Heimat, nicht Wegzug feiern
„Sonnabendnachmittag in Wolfen-Nord. Die Leute sind da, haben Spaß an Musik und am Zusammensein. Was muss man da noch mehr sagen?“ Die Welt ist in Ordnung. Von weiterem Rückbau wird nicht gesprochen.
Die Kinder von Wolfen-Nord feiern Heimat, nicht Wegzug. Gespräche und Begegnungen halten Erinnerungen wach. Martin Rossdeutscher, der zum Fest mit der Geige auf der Bühne stand, denkt an seine Rolle als Schlagzeuger an der Seite von Edgar Plepp und Bianca Graf zurück.
Er hat aber das Leben der Familie in der Raguhner Schleife im Sinn. „Unser Block steht noch. Das habe ich meinem Sohn heute gezeigt.“ (mz)
