Audienz in Rom Papst Franziskus: Wie ein Familienschatz aus Bitterfeld den Weg zum Heiligen Vater fand

Bitterfeld - 6.30 Uhr. Treffpunkt Pforte St. Anna, Rom, Italien. Dort warten ganz verschiedene Menschen: eine Motorrad-Gang, mehrere Sträflinge - und mittendrin der Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in Bitterfeld, Volker Baumgarten, mit Ehefrau Marion. Sie alle verbindet ein großer Wunsch: Papst Franziskus zu begegnen.
Sie kamen nicht mit leeren Händen. Die Rocker schulterten eine Motorradkluft, die Strafgefangenen hatten einen Käse für seine Heiligkeit im Gepäck. Und die Baumgartens? Handgeschriebene Noten und eine CD. Etwas ganz Persönliches. Etwas für die Ohren und nicht nur dafür.
Familie hat Verbindung zu Komponisten Karl Dietrich
Mit dieser Audienz soll nun ein langgehegter Wunsch einer Familie in Erfüllung gehen. Denn die Noten stammen von dem 2014 verstorbenen Weimarer Komponisten Karl Dietrich.
Und sie haben eine lange Geschichte, die die Baumgartens zu einem glücklichen Ende bringen wollen. Denn Marion Baumgarten heißt eigentlich Marion Baumgarten-Dietrich. Ihr Vater, Professor Karl Dietrich, war ein zeitgenössischer Komponist in Weimar.
Acht Sinfonien, zwei Opern, Lieder - das ist nur ein Teil all der Werke, die der Musiker komponierte. Eines davon widmete er dem deutschen Priester Rupert Mayer. Es heißt „Rupert-Mayer-Reflexionen“. Die Notenblätter sollen an den Papst übergeben werden. Damit verbinden die Baumgartens auch die Hoffnung auf eine mögliche Heiligsprechung Rupert Mayers. Denn bereits 1987 hatte Papst Johannes Paul II. diesen selig gesprochen.
Karl Dietrich, Komponist aus Weimar, war Zeit seines Lebens ein Verehrer des katholischen Theologen Rupert Mayer.
Der Geistliche lebte von 1876 bis 1945. Er erfuhr seine Priesterweihe 1899 und warnte schon frühzeitig in Süddeutschland vor der Gefahr durch die Nazis. Als diese 1935 die Caritas-Sammlung verboten, widersetzte er sich und stellte in der St. Michaelis-Kirche in München eine Sammelbüchse auf. Oft nahmen seine Predigten Anstoß am Nationalsozialismus.
Er wurde wegen Kanzelmissbrauchs verhaftet, kam ins Konzentrationslager Sachsenhausen. 1940 wurde er im Kloster Ettal interniert. Mayer starb an Allerheiligen 1945 nach einer schweren Erkrankung.
Seine letzte Ruhestätte fand er in der Münchener Bürgersaalkirche, wo die „Rupert-Mayer-Reflexionen“ von Karl Dietrich uraufgeführt wurden.
Komponist Dietrich bewunderte den Priester Rupert Mayer
Das Tun Mayers begleitete den aus Weimar stammenden Karl Dietrich ein Leben lang. Der Musiker habe ihn geschätzt und bewundert, erzählt Schwiegersohn Volker Baumgarten im MZ-Gespräch. Die Komposition, die Rupert Mayers Namen trägt, sei eine besondere Wertschätzung. Nach dem Tod ihres Vaters hat sich Marion Baumgarten des Vorhabens angenommen. Die Familie und Freunde organisierten die CD-Aufnahme des Werkes in der Katholischen Kirche Weimar auf der Lisztorgel. Es spielte die Organistin der Nikolaikirche zu Leipzig, Maria Wolfsberger.
Dietrichs Noten persönlich dem Papst übergeben
Neben dieser Aufnahme reisten nun auch handschriftliche Noten des Komponisten mit in den Vatikan - und wurden dort tatsächlich abgegeben. Natürlich nicht an der Pforte St. Anna, sondern an Papst Franziskus persönlich. Denn bei der Audienz fanden sich die Baumgartens in der ersten Reihe wieder. Wer hätte das gedacht. „Ich war einfach von der Situation überwältigt“, schildert Volker Baumgarten das Zusammentreffen.
Aufgeregt? „Vorher ja, aber als der Augenblick kam, nicht mehr“, erinnert er sich. Papst Franziskus bat die Baumgartens, für ihn zu beten. „Das war für uns einer der größten Momente im Leben.“ Den werden sie nie vergessen. Ob Papst Franziskus die Motorradjacke tragen oder den Käse der Sträflinge essen wird? Wer weiß. Eines jedoch ist sicher, Karl Dietrich hat einen Platz im Vatikan gefunden. Vielleicht sogar im päpstlich-vatikanischen Musikarchiv. (mz)
