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Obstanbau in Prussendorf Obstanbau in Prussendorf: Wolfgang Ulrich geht in den Ruhestand

Von Sylvia Czajka 10.04.2015, 19:45
Christel Röder, Christiane Spanier, Wolfgang Ulrich (Chef) sowie Jörg und Annett Lebahn haben sich als Prussendorfer Obsthof-Team bewährt. Jetzt nimmt der Chef Abschied.
Christel Röder, Christiane Spanier, Wolfgang Ulrich (Chef) sowie Jörg und Annett Lebahn haben sich als Prussendorfer Obsthof-Team bewährt. Jetzt nimmt der Chef Abschied. André Kehrer Lizenz

Prussendorf - Er war eigentlich immer weg, jetzt ist er immer da: Wolfgang Ulrich. Ursula Ulrich muss deshalb ihren Alltag umstellen. Denn ihr Mann steckt seinen Kopf nicht mehr in die Apfelbäume, pflanzt keine Erdbeeren, pflückt keine Kirschen, sammelt keine Blaubeeren mehr. Vielleicht mal zum Vergnügen. Vielleicht.

Eine andere Welt

Der Prussendorfer Obstbauer sagt Tschüss zu Birne, Pflaume und Co. - mit 68 Jahren. Es wird Zeit, die Welt hinter der Obstplantage zu entdecken. Mit der ist er alt geworden. Sie hat ihn geformt, wach gehalten, ihm den notwendigen Biss verschafft in der Marktwirtschaft. Mit dem Blick in eine andere Welt hinter der Gemarkungsgrenze Zörbig hofft er nun jung zu bleiben, Weitblick zu bekommen, vielleicht ein wenig auszuruhen, Zeit mit der Familie zu verbringen. Nicht nur die Früchte seiner Arbeit, sondern jetzt auch das Leben zu genießen - das wär’s. In Kuba zum Beispiel oder Tirol oder ...

Bis vor kurzem verlief sein Leben im Rhythmus der Jahreszeiten. Es war eine harte Arbeit, gibt er zu. 1993 entschließt sich Ulrich zur Betriebsgründung. Als Ein-Mann-Betrieb. Danach sind 40 000 Bäume vom alten Bestand zu roden, zu schreddern. Erfreulich, dass die Treuhand in Berlin einer Fläche in der Prussendorfer Flur der langfristigen Verpachtung für die Obstbepflanzung zustimmt, erzählt Ulrich. Aufwendige Vorarbeit ist da nötig, ehe es zur Bepflanzung der zehn Hektar großen Fläche kommt. Und das bedeutete Tag für Tag um 5.45 Uhr aufstehen. „Es ist die Verantwortung, die einen aus dem Bett treibt. Ich habe mich danach gesehnt, mal auszuruhen.“ Doch Mutter Natur ließ das nie zu. Eigentlich war immer irgendwas. Und nun plötzlich nicht mehr.

Seit 1994 erfolgt der Verkauf der Erträge aus dem Prussendorfer Obsthof direkt aus dem Häuschen an der Bundesstraße 183 bei Zörbig.

Die zwei Verkäuferinnen Christel Röder und Christiane Spanier gehören seit Jahren genau so zum Team wie das Ehepaar Annett und Jörg Lebahn. Bei der Ernte helfen Saisonkräfte, die aus der Region kommen.

Sie werden weiter dafür sorgen, dass das Obst aus Prussendorf auch künftig seine Kunden erreicht.

„Ich habe gemerkt, dass die Kräfte nachlassen. Körperlich und vom Kopf her. Die Zahl 65 hat dabei nie eine Rolle gespielt, loszulassen. Der Mumm und die Lust sind nicht mehr da. Und jetzt ist die Verantwortung weg“, sagt Ulrich erleichtert. Ein Obstbauer ist keine Maschine, die läuft und läuft, das habe er über die Jahre erfahren müssen. Mit der Natur zu planen, sei unmöglich. Vielleicht manchmal Glückssache. Das wusste Ulrich schon während seiner Kinderzeit. Denn der Vater war - wie sollte es anders sein - Obstbauer. Die Eltern hatten eine große Landwirtschaft bei Querfurt. Da war Ulrich junior gut beschäftigt. Auch am „Süßen See“ oder in Werder konnte er während seiner Ausbildung über mangelnde Beschäftigung nicht klagen.

Kindheitserfahrungen

„Die Kindheit und Jugend haben mich stark geprägt“, sagt Wolfgang Ulrich. „Im Nachhinein“, meint er, „waren es die Erfahrungen, die mir den Weg bereiteten.“ Der Prussendorfer spricht von einem erfüllten Leben. „Alles andere wäre kleinkariert gewesen.“ 14 Jahre pflanzte, pflegte und erntete er allein. Dann erst wurde die Ein-Mann-Show zur Teamarbeit. Auch, weil es nicht mehr ging. Einfach zu viel war. Wolfgang Ulrich wurde Teil eines Quintetts. Nun übernimmt die nächste Generation.

Was ihm immer wieder die Kraft zum Weitermachen gab? Jeden Tag einen Apfel essen. Heute sind es übrigens zwei. Und den notwendigen Biss dafür, den hat Wolfgang Ulrich immer noch. (mz)