Neujahrsinterview mit Ferid Giebler Neujahrsinterview mit Bürgermeister Ferid Giebler: Mehr Selbstbewusstsein für Gemeinde Muldestausee

Pouch - Muldestausee-Bürgermeister Ferid Giebler (parteilos) ist mit 35 Jahren der jüngste Bürgermeister im Altkreis Bitterfeld und seit nunmehr zwei Jahren im Amt.
Die MZ hat das neue Jahr zum Anlass genommen, um auf 2018 zurückzuschauen und einen kleinen Ausblick zu wagen. Das Gespräch mit Ferid Giebler führte Redakteur Detmar Oppenkowski.
Schaut man rückblickend zunächst auf das politische Parkett, so kann man sagen, dass ein Entmachtungsantrag der Mitte-Fraktion Sie gleich zu Beginn des Jahres in leichte Turbulenzen brachte
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Ferid Giebler: Wir waren zu keiner Zeit in Turbulenzen. Der Antrag entbehrte jeder sachlichen Grundlage. Die später vorgeschobene stärkere Kontrolle der Haushaltsmittel war sehr befremdlich angesichts dessen, dass nur eine Woche zuvor der Haushaltsplanentwurf der Gemeindeverwaltung einstimmig bestätigt wurde.
Ich sollte als Bürgermeister vorgeführt und mit mir meine Gemeindeverwaltung in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden. Tatsächlich zielte man auf meinen kritischen Umgang mit Bebauungsplänen, die Schwerpunktsetzung im Rahmen meiner alleinigen Entscheidungskompetenzen und die Personalführung der Beschäftigten ab. Ich werte den Antrag als unzulässigen Eingriff in meine organschaftlichen Rechte als Hauptverwaltungsbeamter, der auf reiner Willkür beruhte.
Das Misstrauensvotum ist am Ende denkbar knapp gescheitert. Dennoch hat sicherlich das Verhältnis gelitten. Was tun Sie, um weiterhin vernünftig mit dem Gemeinderat zusammenzuarbeiten?
Ferid Giebler: Die Gemeinderäte wollen wir als Verwaltung so früh wie möglich in die Vorbereitung von Entscheidungen einbeziehen. In 2019 plane ich wieder regelmäßig offene Gespräche mit dem Gemeinderats- und den Fraktionsvorsitzenden vor den Ratssitzungen sowie mindestens eine Bürgersprechstunde beziehungsweise Rundgänge mit den Ortsräten und Bürgern in allen Orten.
Nach wie vor steht das Ortsbudget, eines Ihrer Wahlversprechen im Raum. Ein erster Entwurf wurde Mitte des Jahres vorgestellt. Einige beklatschten das Papier, andere lehnten es ab. Wie soll es nun weitergehen?
Ferid Giebler: Das Ortsbudget ist kein Wahlversprechen, sondern ein Ziel. Die Ortsbürgermeister stimmten in der gemeinsamen Beratung im Oktober 2017 der Erarbeitung eines Entwurfes zu. Im Integrierten Gemeindeentwicklungskonzept (IGEK) ist die Einführung fest verankert. In der ersten Anhörungsrunde der Ortschaftsräte stimmten einige Ortschaftsräte zu, einige lehnten prinzipiell ab, andere trafen keine Entscheidung oder wollten konkrete Vorgaben, wofür die Mittel einzusetzen seien.
Damit haben wir einen guten ersten Überblick über Vorbehalte und die Sicht der Räte. Mit diesen Hinweisen und Bedenken nehmen wir Anfang 2019 eine Auswertung vor und werden das Vorhaben nach den Kommunalwahlen für den Haushalt 2020 erneut angehen. Ziele sind eine breite Unterstützung durch die Gremien, mehr eigene Entscheidungskompetenz im Ortschaftsrat und eine praktikable Umsetzung.
Giebler möchte sich weiterhin auch in Richtung Dübener Heide orientieren
Aufmerksam verfolgen viele Anrainer, wie sich die Gemeinde geostrategisch ausrichtet. Muldestausee will dem Altkreis den Rücken kehren und sich stärker in Richtung Dübener Heide orientieren. Was sind die Gründe und was bringt das?
Ferid Giebler: Wir kehren niemandem den Rücken und werden mit den Kommunen im Altkreis in bewährter Weise sowie innerhalb der etablierten Gremien konstruktiv zusammenarbeiten, wenn gemeinsame oder sich gegenseitig ergänzende Interessen bestehen. Für die Bewältigung der Herausforderungen in der Dübener Heide werden wir jedoch nur mit den Partnern in diesem Bereich wirklich vorankommen.
Deshalb müssen wir uns hier besser über die Landkreis- und Landesgrenze vernetzen. Im ersten Quartal soll der Gemeinderat daher den Beschluss fassen, dass wir dem Städtebund Dübener Heide beitreten. Damit hätten wir ein weiteres kommunalpolitisches Instrument, um mit den Mitgliedskommunen zum wechselseitigen Vorteil zusammenzuarbeiten und unsere Interessen gegenüber übergeordneten Behörden und Ministerien wirkmächtiger zu artikulieren.
Bei der Beantwortung der Frage, welche Entwicklungsmöglichkeiten die Gemeinde hat, redet Bitterfeld-Wolfen ein Wörtchen mit. Als Mittelzentrum hat die Stadt eine kritische Stellungnahme zum Integrierten Gemeindeentwicklungskonzept geäußert. Wie soll und kann der Konflikt denn nun gelöst werden?
Ferid Giebler: Durch Überzeugungskraft. Das Mittelzentrum und die umliegenden Kommunen müssen selbstbewusst ihre Entwicklungspotenziale ausschöpfen. Ich bin der Auffassung, dass wir mittel- bis langfristig den Schrumpfungstrend in einen Wachstumstrend nur umkehren könnten, wenn wir uns nicht sklavisch am längst überholten Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2010 festklammern.
Gelingen kann das nur, wenn sich die Entscheidungsträger der mittel- bis langfristig fortschreitenden Entwicklungsachse zwischen den Ballungsräumen Leipzig bis Berlin entlang der Bahnlinie mit den hieraus resultierenden Entwicklungs- und Ansiedlungspotenzialen öffnen. Wichtiger Punkt: Ein Zuzug in die Nachbarkommunen Sandersdorf-Brehna und Muldestausee stärkt das Mittelzentrum Bitterfeld-Wolfen.
Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor soll zukünftig der Tourismus sein. Sowohl am Goitzsche- als auch am Gröberner See sind private Investoren maßgeblich für die Entwicklung verantwortlich. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit, was wünschen Sie sich?
Ferid Giebler: Die touristische Entwicklung steckt bei uns in den Kinderschuhen, sie kann ein wichtiger Faktor für die Zukunft sein. Derzeit sind die bestehenden Angebote und die konkreten Wertschöpfungspotenziale aber noch sehr überschaubar.
Die Zusammenarbeit ist in einigen Bereichen gut bis sehr gut, in anderen mit vielen Konflikten behaftet. Es braucht eine stärker abgestimmte und langfristig angelegte Entwicklungsplanung aller touristischen Anbieter und Gastronomen an den Belangen sowohl der Gemeinde als auch der Region. Konkret: Das Gröberner Modell, nämlich zuerst Workshop zwischen Investor mit Verwaltungsspitze über gegenseitige Interessen sowie Möglichkeiten und Grenzen und anschließende Planung sowie Umsetzung mit kontinuierlichem Dialog in den Gremien sollte gemeindeweit zum Tragen kommen.
Mit unserer Wirtschaftsförderin haben wir nun eine feste Ansprechpartnerin in der Verwaltung.
Giebler erhofft sich eine Verjüngung, Versachlichung und Vertrauen durch die Kommunalwahl im Mai
Angesichts der Summen, die dort investiert werden, geraten kommunale Projekte manchmal aus dem Blick. Was wird Muldestausee 2019 aus eigener Kraft stemmen?
Ferid Giebler: Eines der wichtigsten Projekte ist sicherlich die Fertigstellung und Einweihung des Feuerwehrgerätehauses in Gossa für zwei Millionen Euro sowie die Fusion der Ortswehren Plodda, Schmerz
und Schlaitz zur neuen Wehr Schmerzbach. Zudem werden die Sanierungsmaßnahmen an den Grundschulen und Kitas fortgesetzt. Weiterhin werden wir mit dem grundhaften Ausbau der Schlaitzer Straße in Burgkemnitz beginnen. Wir streben außerdem eine Zukunftslösung für den Bauhof an und wollen die Voraussetzungen für den Neubau einer Kita in Muldenstein schaffen.
Auch die Erweiterung der öffentlichen Spielplätze in Schlaitz und Friedersdorf steht auf dem Programm. Innerhalb der Verwaltung soll die Digitalisierung durch die Einführung eines Managementsystems bewerkstelligt werden
Politisch betrachtet, ist die Kommunalwahl am 26. Mai ein wichtiger Meilenstein für die Kommune. Was erhoffen Sie sich von der Wahl, bei der die Ortschaftsräte und Ortsbürgermeister sowie der Gemeinderat neu bestimmt werden?
Ferid Giebler: Verjüngung in Bezug auf die Mitglieder der Gremien, Versachlichung in Bezug auf die Diskussion der Beschlussvorlagen und Vertrauen in das Verwaltungshandeln der Gemeindeverwaltung. Auch ein wenig Verständnis dafür, dass nicht für alle Probleme sofort perfekte Lösungen in der Schublade liegen, wäre gut.
Begrüßenswert wäre zudem, wenn die neuen Gemeinde- und Ortschaftsräte konsequent und selbstbewusst die im IGEK formulierten Entwicklungsziele der Gemeinde - auch gegen mögliche Widerstände - mit vorantreiben. Ich würde mich freuen, wenn die von mir angebotenen Sprechstunden und Ortsrundgänge in den Ortschaften von Ortschaftsräten und Bürgern gleichermaßen genutzt werden. (mz)