Nasa-Projekt Nasa-Projekt: Christiane Heinicke lebte ein Jahr wie auf dem Mars

Bitterfeld - In dem Café in der Bitterfelder Innenstadt wird sie sofort erkannt. „Sind sie nicht?“, fragt die Frau hinter der Theke. Christiane Heinicke nickt etwas verlegen. Ja, sie ist es tatsächlich. Die Mars-Frau.
Für ein Projekt der US-Raumfahrtbehörde Nasa lebte die Geophysikerin ein Jahr mit fünf anderen Wissenschaftlern auf Hawaii. Mit der Studie sollen kommende Mars-Missionen vorbereitet werden. Was sie auf Hawaii erlebte und warum sie wohl nie auf den echten Planeten Mars kommen wird, erzählte sie Julius Lukas.
Frau Heinicke, Sie haben 2016 mehr Zeit auf dem hawaiianischen Mars als auf der Erde verbracht. Wo hat es Ihnen besser gefallen?
Heinicke: Beides hat seine Reize. Die Zeit auf Hawaii war natürlich ein Abenteuer. Aber mindestens einen Vorzug hat das Leben auf der Erde dann schon: Frisches Obst.
Deswegen bestellen Sie hier Erdbeertorte?
Heinicke: Ja, Erdbeeren, Himbeeren, überhaupt Früchte - das war etwas, was ich sehr vermisst habe. In unserer Station gab es nur gefriergetrocknete Nahrung. Auch einfachen Dinge, wie bei offenem Fenster schlafen, gingen dort nicht. Oder mal eben vor die Tür gehen. Das war nur im Raumanzug möglich und musste 18 Stunden vorher angemeldet werden. Spontan konnte man da nicht sein.
Wieso diese Begrenzungen?
Heinicke: Bei dem Langzeit-Projekt wurde untersucht, wie sich Gruppen in der Isolation verhalten. So will die Nasa Erfahrungen für künftige Mars-Missionen sammeln. Also: Wie müssen die Teams zusammengesetzt sein? Wie kann die Stimmung beeinflusst werden?
Aber gibt es da nicht genug Erfahrungen von bisherigen Flügen ins All?
Heinicke: Eine typische Mission auf der ISS dauert etwa sechs Monate. Man sagt aber, dass Missionen erst ab etwa sechs Monaten kritisch werden, psychisch belastend. Eine Mission zum Mars dauert mindestens zwei Jahre. Das ist schon ein enormes Vorhaben. Und um das möglichst realitätsnah durchzuspielen, mussten wir wie echte Astronauten leben.
Was hat sie an dem Projekt gereizt?
Heinicke: Naja, ich bin da eher reingerutscht. Eigentlich wollte ich ja in die Arktis.
Das müssen Sie erklären.
Heinicke: Ich bin Geophysikerin und habe vor dem Nasa-Projekt in Helsinki Meereis erforscht. Dort hörte ich von einer Mars-Langzeitstudie in der Arktis. Ich dachte mir: Das passt, ich mag Eis und Schnee und das mit dem Raumanzug tragen, bekomme ich auch hin. Allerdings verzögerte sich dieses Projekt immer mehr. Andere Bewerber erzählten mir dann von der NASA-Studie und ich hab mich auch dort beworben. Mit Erfolg.
Meereisforschung war auf Hawaii aber nicht möglich.
Heinicke: Das stimmt. Eis und Schnee gibt es da nicht. Dafür Staub und Steine. Unsere Station lag am Hang eines Schildvulkans. Die findet man auch auf dem Mars. Projekte hatte ich trotzdem genug. Zum Beispiel die Gewinnung von Wasser. Dazu zapfte ich den scheinbar trockenen Boden an. Das könnte so auch auf dem Mars funktionieren.
Hat es auf Hawaii geklappt?
Heinicke: Einige Liter konnte ich schon gewinnen. Allerdings schmeckte das Wasser fürchterlich. Aber das war nicht entscheidend. Bei den Experimenten ging es auch darum, herauszufinden, welche Probleme bei der Durchführung entstehen. Immerhin steckt man in einem Raumanzug. Da ist alles etwas schwieriger. Und solche Probleme sollte man vor einer richtigen Mars-Mission kennen.
Das klingt schon sehr praxisnah. Gibt es denn bereits konkrete Pläne, wann ein Mensch den roten Planeten betreten soll?
Heinicke: Das kommt darauf an, wen man fragt. Die Nasa zielt so auf 2035. Die Europäische Weltraumorganisation Esa spricht von 2050. Und dann gibt es da noch Elon Musk …
…, den Mitgründer des Bezahldienstes Paypal und jetzigen Raumfahrtunternehmer.
Heinicke: Der will es schon 2025 schaffen. Aber ich habe da Zweifel.
Warum?
Heinicke: Bei Musks Projekt geht es darum, eine Rakete zum Mars zu schicken und dort zu landen. Aber das haben wir schon mehrfach mit Robotern an Bord gemacht. Will man aber einen Menschen zum Mars schicken, kommt weitaus mehr hinzu.
Was genau?
Heinicke: Die Landung muss sicher sein. Das war sie bis jetzt nicht immer. Man muss sich überlegen, wie man mit dem Muskelschwund umgeht, der aufgrund der Schwerelosigkeit im All einsetzt. Ein Problem ist auch die aggressive Weltraumstrahlung, die zu Krebserkrankungen führen kann. Und das sind nur einige Herausforderungen auf dem Weg zum Mars, die man Schritt für Schritt lösen muss.
Ein paar Schritte davon sind Sie ja auch bei dem Hawaii-Projekt gegangen. Gibt es denn da schon erste Ergebnisse?
Heinicke: Noch nicht. In dem einen Jahr haben sich ja eine Unmenge an Daten angesammelt. Jeden Tag haben wir mehrere Fragebögen ausgefüllt. Hinzu kamen Gruppenexperimente, Gespräche und Tests. Das alles auszuwerten, wird noch etwas dauern.
Und Ihr Fazit? Was würden Sie sagen, ist wichtig, damit ein Team während einer Mars-Mission funktioniert?
Heinicke: Die Astronauten müssen sich im Klaren sein, dass es in jeder Gruppe schwierige Phasen geben wird, dass die Stimmung auch mal schlecht ist und Konflikte auftreten. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man auch selber gegensteuern. Das sollte schon vor dem Flug trainiert werden.
Gab es denn bei ihrer Mission schwierige Momente?
Heinicke: Es gab anstrengende Phasen. Immerhin verbrachten wir ein Jahr zu sechst auf 110 Quadratmetern. Das geht nicht ohne Konflikte. Aber wir haben die Probleme immer gleich angesprochen und so auch schnell gelöst. Und wir haben es geschafft, in den 365 Tagen jeden Abend gemeinsam zu essen. Das war ein festes Ritual.
Nun waren Sie schon auf dem Mars. Welche Ziele für die Zukunft gibt es da noch?
Heinicke: Das Mars-Projekt lässt mich erst einmal nicht los. Derzeit schreibe ich ein Buch über meine Zeit auf Hawaii. Und dann werde ich wohl wieder in die Wissenschaft gehen. Es wird ganz sicher die Weltraumforschung sein.
Und ein Flug zum echten Mars, wäre das eine Zukunftsoption?
Heinicke: Wenn es mal soweit ist, bin ich sicher schon zu alt. Aber ich hätte es ohnehin nur gemacht, wenn wir auch zur Erde zurückgekehrt wären. (mz)

