Nähross von Senior gesattelt
Zörbig/MZ. - Da sich die Sattlerei allein nicht mehr rechnete, haber sich der jetzige Inhaber, der gelernter Polsterer ist, ein zweites Standbein geschaffen. Raumausstatter steht in seinem Meisterbrief, den der 36-Jährige im Jahre 2000 ablegte. Stolz nimmt er in seinem Meisterstück Platz - einem Sessel im englischen Spätbiedermeier. Schon oft habe man ihm diesen Sessel abkaufen wollen. Doch diesen gibt Tino Wilde nicht her - "nicht für alles Geld der Welt", betont er.
Als sein Vater Arthur in vierter Generation die Geschicke des um 1850 in Ostrau gegründeten Familienunternehmens übernahm, hielten sich Sattler- und Polstererarbeiten etwa die Waage. Meist waren es alte Matratzen, die für Reparaturarbeiten an Sesseln oder Sofas herhalten mussten. Improvisieren war meistens angesagt. Denn Geld sei Anfang der 50er Jahre ebenso knapp gewesen wie intakte Polstermöbel.
Die Industrialisierung der Landwirtschaft Ende der 60er Jahre ließ auch das Pferd in den Hintergrund treten, was sich auch im Anfertigen von Zubehör niederschlug. Heute sei das Pferd fast ausschließlich Reittier im Freizeitsport. Und das Pferdegeschirr gibt es in allen Preislagen fertig zu kaufen.
Obwohl sich der Senior offiziell aus dem Geschäft zurückgezogen hat, sind seine langjährigen Erfahrungen - auch im Polstererberuf - noch heute gefragt. "Die Sattlerei beherrsche ich so gut wie gar nicht", gesteht der Sohn. Das Wenige, was noch anfalle, überlasse er lieber demjenigen, der etwas davon versteht, zwinkert er seinem Vater zu. Auch Gerlinde Wilde, die Mutter des heutigen Inhabers, kann es noch nicht lassen. Schon immer lief die Buchführung durch ihre Hände. Und das sei auch heute noch so.
1968 kaufte Arthur Wilde das Haus in der Langen Straße von Zörbig, das noch heute Firmensitz ist. Zu tun habe es immer genug gegeben. Doch mit der Wende änderte sich das von einem Tag auf den anderen. Flexibel habe man sofort reagiert und Lederwaren eingekauft. Das sei allerdings mit einigen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Denn in den noch DDR-Unternehmen konnte man nicht bestellen. Mit einer Firma in der Nähe von Hof sei man schließlich ins Geschäft gekommen. Dieses Lederwarengeschäft Wilde gibt es noch immer. Parallel dazu laufen Raumausstatterarbeiten. Und wenn es etwas am Pferdegeschirr zu nähen gibt, dann springt der Senior ein.