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Nächste Praxis geschlossen Nächste Praxis geschlossen: Hausarzt in Wolfen dringend gesucht

Von Ulf Rostalsky 23.02.2019, 08:00
Der ärztliche Leiter des MVZ, Thomas Beier (l.), und Gesundheitszentrum-Geschäftsführer Norman Schaaf suchen neue Wege.
Der ärztliche Leiter des MVZ, Thomas Beier (l.), und Gesundheitszentrum-Geschäftsführer Norman Schaaf suchen neue Wege. André Kehrer

Bitterfeld - Die Zahl der Hausarztpraxen im Altkreis Bitterfeld schrumpft dramatisch. Mit Jahresbeginn hat das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) des Gesundheitszentrums Bitterfeld/Wolfen auch noch die Türen der Praxis in der Wolfener Bahnhofstraße schließen müssen.

Damit sind im Planungsbereich Bitterfeld-Wolfen nach Angaben der Kassenärztliche Vereinigung (KV) elf Hausarztstellen nicht besetzt. Tendenz steigend.

Im Gesundheitszentrum spricht Geschäftsführer Norman Schaaf deshalb nicht nur von drohender hausärztlicher Unterversorgung im Kreis. Um gegenzusteuern, entwickelt man dort auch ungewöhnliche Ideen. „Es muss gestattet sein, neue Denkmodelle zu wagen“, so Schaaf.

Und nennt unter anderen die Möglichkeit, Fachärzte für Allgemeinmedizin direkt in Krankenhäusern ausbilden zu dürfen und die Versorgungskapazitäten der Kliniken des Gesundheitszentrum auch für den ambulanten Bereich zu nutzen. Wie die kassenärztliche Vereinigung auf das Bitterfelder Vorsprechen reagiert, ist offen. Eine MZ-Anfrage zum Thema ist bis jetzt unbeantwortet.

Kein Nachfolger in Sicht

„Wir haben über ein Jahr versucht, einen Nachfolger für Hausärztin Ines Angerhöfer in Wolfen zu finden, die jetzt in den Ruhestand geht. Das ist uns leider nicht gelungen. Ein echtes Problem“, erklärt Schaaf. Zwar braucht es heute genau genommen keine Überweisung des Haus- an einen Facharzt mehr.

„Aber der Hausarzt ist der Ansprechpartner und der Türöffner. Er kann einschätzen, welche Form von Diagnostik und Therapie nötig ist. Er ist für viele Menschen aber ganz einfach auch eine Vertrauensperson.“

Dass dies auch in der MVZ-Praxis in Wolfen so war, verhehlt Schaaf nicht. Momentan bleibe aber keine andere Möglichkeit, als Patienten auf Wunsch persönliche Aken herauszugegeben. Bis Ende April ist deshalb die Praxis in der Bahnhofstraße 5 noch mit einer Angestellten besetzt.

Trotz Anreizen bleibt die ländliche Region für Mediziner nur zweite Wahl

Und dann? „Wir suchen weiter. Aber wir haben bei zwei Ausschreibungsrunden keinen Erfolg gehabt. Auch aus unserem Haus gab es keinen Nachfolger“, bestätigt Norman Schaaf. Dabei könne eine MVZ-Praxis mit einigen Vorzügen aufwarten: Angestelltes Arbeitsverhältnis, großer Patientenstamm, fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit mit den Krankenhausärzten und schneller Zugriff auf die dortige Medizintechnik.

„Es gibt geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsvertretungen und eine gute Anbindung an die Großstädte“, fügt Dr. Thomas Beier, der Ärztliche Leiter des MVZ, hinzu.

Das Problem bleibt. Das flache Land ist offensichtlich nicht erste Wahl für Mediziner. Auch in Dessau-Roßlau werden zwölf offene Stellen genannt. Der Wettbewerb ist groß, Medizinern wird der rote Teppich ausgerollt. In manchen Orten gibt es sogar Wohnraum und günstige Baugrundstücke als Bonus.

Die Anreize sind Norman Schaaf nicht fremd. „Wir stehen deshalb auch mit der Stadt im Gespräch. Aber was wir auch tun - schließen wir eine Lücke, tut sich bald eine neue auf.“

Alarmierende Zahlen machen schnelle Lösungen nötig

Die Zahlen aus dem Sozialministerium sind ernüchternd. In Sachsen-Anhalt sind 141 Hausarztstellen nicht besetzt, Prognosen gehen von 262 im Jahr 2032 aus. Bereits heute ist jeder sechste Hausarzt älter als 65 Jahre. 2025 wird jeder zweite in diese Gruppe fallen.

Die KV befürwortet deshalb die Ideen einer Landarztquote. Die soll fünf Prozent von jährlich 400 Studienplätzen im Land für Landärzte offenhalten. „Aber damit bekommen wir erst in zehn Jahren neue Ärzte. Jetzt fehlen sie immer noch“, erklärt Schaaf und animiert zu alternativen Denkmodellen, um die Versorgungssicherheit auf lange Sicht gewährleisten zu können.

Für Dr. Hans-Werner Trummel, Vize-Kreissprecher der KV, geht es aber auch um eine andere Sache. „Die Leistung der jetzt tätigen Hausärzte muss gewürdigt werden. Nicht nur materiell, auch ideell.“ (mz)

Ein Zettel an der Praxis in der Bahnhofstraße informiert Patienten.
Ein Zettel an der Praxis in der Bahnhofstraße informiert Patienten.
Ulf Rostalsky