MZ-Serie zum Volkshochschul-Jubiläum MZ-Serie zum Volkshochschul-Jubiläum: Aus Liebe zur Grammatik
Wittenberg/MZ. - Mehr als 40 Kurse verzeichnet die offizielle Statistik, die allerdings unvollständig ist, da sie erst ab 1998 zählt.
Aber letztlich kommt es auf Zahlen ja auch gar nicht so sehr an. "Ich mache nie eine Stunde wie die andere", sagt die alte Dame, die morgen ihren 75. Geburtstag feiert und damit die an Lebensjahren älteste Dozentin der KVHS ist. Schon deshalb kommt es immer wieder vor, dass Leute sich gerne auch ein zweites Mal in ihren Anfängerkurs setzen, wenn kein Fortsetzungskurs zustande kommt. "Das baut mich immer wieder ungeheuer auf", freut sich Maria Beleites über die Anhänglichkeit ihrer Schüler.
Eigentlich war Maria Beleites, die in Halle aufwuchs und deren Familie aus der heute polnischen Provinz Posen stammt, ja eher auf Russisch abonniert. Russisch hatte sie, neben Deutsch, schließlich seinerzeit studiert und auch an verschiedenen Schulen unterrichtet, nur nicht am Gymnasium ("Ich war kein Mensch für das Gymnasium." Warum? "Ich gehe zur Kirche"). Und schon damals, in ihrer Hallenser Zeit, stand sie in engem Kontakt zur Volkshochschule, allerdings vorrangig als Schülerin. Griechisch, Philosophie, Malen, Tschechisch, die junge Frau lernte sich quer durchs Angebot (woran sich bis heute eigentlich nicht viel geändert hat: 38 Kurse hat sie selbst an der Wittenberger KVHS besucht).
"Please, open the door", hatte der Offizier damals 1945 in Halle gesagt, kein Russe also, wie sie zunächst dachte, ein Amerikaner, aber dieses "Erlebnis, einen anderen Menschen verstehen zu können", sollte schließlich ihr gesamtes Berufsleben prägen.
1980 war Maria Beleites, die 1949 als "Aushilfslehrerin" in den Schuldienst der DDR gestartet war, nach Wittenberg gekommen, an die Nicolai-Schule, die heute Bugenhagen-Schule heißt. "Ich kann auch Englisch, habe ich frech gesagt", als sie Ende der 80er Jahre an der dortigen Volkshochschule Dozentin für Veranstaltungen des zweiten Bildungsweges wurde. Die Teilnehmer entschieden sich seinerzeit allerdings für Russisch, weil sie hier weniger zu lernen hatten und auch keine Prüfung ablegen mussten, erinnert sich Maria Beleites und lächelt nachsichtig.
Nach der Wende war die Sache dann ohnehin klar. Russisch war weg vom Fenster, was Maria Beleites zwar bedauert ("Sechs Fälle? Kein Problem, ich liebe Grammatik") , aber ein bisschen auch verstehen kann. Schließlich seien in der DDR die "Lehrbücher suuuperlangweilig gewesen" - Kälberchef trifft Baumwollpflückerin und solche Sachen - und "ganz freiwillig hat das keiner gelernt". (Wenn heutzutage bei der KVHS eine Anfrage nach Russisch kommt, sagt Fachbereichsleiterin Annette Wattrodt, dann steckt fast immer ein "Wessi" dahinter.) Maria Beleites jedenfalls rechnet nicht damit, dass ihre Russisch-Kenntnisse noch einmal gefragt sein werden an der Volkshochschule.
Aber die 74-Jährige ist ja auch gut ausgelastet mit ihren beiden Englisch-Kursen. "Ich gebe zu wenige Hausaufgaben auf", sagen manche Schüler. Aber das hat Methode. "Wenn Sie zu viel aufgeben, dann fühlen sich die Leute unwohl und bleiben weg." Sie kennt das selbst aus ihrem Spanisch-Kurs.