1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Musical «Cool»: Musical «Cool»: Neue Dimension der Authentizität

Musical «Cool» Musical «Cool»: Neue Dimension der Authentizität

Von Kathrin Steinmetz 30.10.2001, 19:19

Bitterfeld/MZ. - "Rapper: Leute, die den rhythmischen Sprechgesang drauf haben." Eine ganze Liste solcher Erklärungen findet sich im Programmheft der Hip-Hop-Opera "Cool", die kürzlich auch im Bitterfelder Kulturpalast aufgeführt wurde. Schließlich sind die Protagonisten Jugendliche, die - von der Welt der Erwachsenen unverstanden - ihre eigene Sprache aus dem Hip-Hop-Milieu entwickelt haben. Das Stück wurde insgesamt viermal in Bitterfeld aufgeführt.

Das Musical erzählt die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher in den 90-er Jahren. Sie treffen sich regelmäßig in der Industrieruine WestEndMall, reden dort miteinander, rappen und skaten. Sie verbindet die Bedrohungen von außen, gegen einzelne und gegen das zum Abriss freigegebene Haus.

Der Begriff Authentizität bekommt angesichts des Musicals eine neue Bedeutung. Denn die 26 Amateurkünstler aus 13 Nationen verkörpern darin ihre eigenen Geschichten und Stimmungen, haben verarbeitet, was ihnen bisher im Leben zugestoßen ist. Vielen von ihnen standen vor ihrer "Cool"-Karriere vor dem sozialen und finanziellen Aus, hatten keine Ausbildung und nicht selten Probleme mit ihren Eltern. "Aber das hier ist kein therapeutisches Theater", korrigiert Projektleiter Vridolin Enxing die verbreitete Vermutung, dass die Jugendlichen lediglich von der Straße geholt werden sollten. "Unter uns ist auch die behütete Apothekertochter und der reiche Sohn", ergänzt die dunkelhäutige Joy Bamgbola, eine der Darstellerinnen.

Nach einem umfangreichen Casting in München, kam der härteste Teil auf die Amateure zu. "Sie mussten lernen, wie Künstler zu denken. Also begreifen, dass sie das Ganze nicht mehr einfach hinschmeißen konnten und für das Projekt verantwortlich waren", erinnert sich Enxing an die ersten Wochen. In der eigens gegründeten Schule bekamen die Amateur-Darsteller ihre Grundausbildung. Sprech- und Tanzkurse, Dramaturgie und Schauspiel standen auf dem Stundenplan. Eine der Darstellerinnen, die Türkin Zinet Karagöz etwa, musste erst das Rappen lernen. Joy hingegen, die im Stück mit ihrer beeindruckenden Stimme überzeugt, hatte bis dahin nie gesungen. Sie empfand die Zeit der Proben und Auftritte - inzwischen über 220 weltweit - als "mörderanstrengend", da die 19-Jährige noch die Schule besucht.

Weil das gesamte Stück aus den Erzählungen der Darsteller entstanden ist, hieß es vor der Inszenierung, sich dem Team zu öffnen und über die eigene Vergangenheit zu sprechen. Eine schwere Sache, meint Joy. "Schließlich kannte ich die Leute damals noch gar nicht." So entstanden die einzelnen Szenen. Etwa die mit der Türkin "Serap", die in ihrer Heimatstadt verheiratet werden soll, aber in der westlichen Gesellschaft mit ihren Werten aufgewachsen ist. Oder mit "Sarah", die als 11-Jährige von ihrem Vater vergewaltigt wurde. Auch Drogen spielen eine Rolle. "Yola" stirbt gar daran - eine Szene, bei der die Meinungen auseinander gingen, ob der Drogentod tatsächlich in eine solche Aufführung gehört. Gerade weil das Musical so authentisch ist, musste die Privatsphäre der Darsteller geschützt werden. Deshalb schlüpfen sie auf der Bühne in Rollen, spielen nie eigene Schicksale.

Zwar war das Stück von vielen Schulen gut besucht, fand jedoch in den Familienvorstellungen nur mageren Anklang. Joy und die anderen Darsteller gaben dennoch ihr Bestes. Zum Künstlerdasein, so Leiter Enxing, gehöre eben auch die Erfahrung, so vor einem kleinen Publikum zu spielen, als wäre der Saal völlig überfüllt.