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Dreiste Kopie Motiv aus Bitterfeld: Nordkorea "klaut" Lok-Motiv von Bitterfelder Notgeld

Von Frank Czerwonn 28.09.2016, 04:00
Die Marke mit der Bitterfelder Lok ist Teil eines ganzen Briefmarken-Blocks.
Die Marke mit der Bitterfelder Lok ist Teil eines ganzen Briefmarken-Blocks. Klebes

Bitterfeld - Eine der berühmtesten Lokomotiven, die je in Bitterfeld über die Schienen ratterte, ist gestohlen worden. Und jahrelang hat diese Tat niemand bemerkt. Der Übeltäter heißt Nordkorea. Oder korrekter: die Postverwaltung des diktatorischen Landes.

36 Jahre lang blieb diese dreiste Tat ein Geheimnis. Doch jetzt hat sie ein Eisenbahn-Fan aus Erlangen zufällig ans Licht gebracht.

Immer auf der Suche nach neuen Marken

Günther Klebes liebt Eisenbahnen. „Ich sammle begeistert alles, was mit der Bahn zu tun hat - außer echten Lokomotiven“, erzählt der 67-Jährige. Bei ihm zu Hause stehen Modelle und historische Uniformmützen - die so genannten „Rotkäppchen“ - neben zahllosen selbst geschossenen Fotos und Alben voll einschlägiger Telefonkarten und Briefmarken.

Selbst auf Hochzeitsreise ist der frühere Techniker für Kieferorthopädie vor 33 Jahren mit dem Glacier-Express gefahren. Und natürlich ist Klebes immer auf der Suche nach neuen, spannenden Stücken. „Das Internet bietet da viele Möglichkeiten“, sagt er.

Ein Fundstück aus Nordkorea

Bei einer belgischen Internet-Auktion stieß er kürzlich auf eine schmucke Briefmarke mit einer grünen Lokomotive im Vordergrund und einer zweiten braun-roten dahinter. Der Experte aus Mittelfranken erkannte auf der Marke den Lokomotiventyp E 71 - eine Elektrolok für den Güterzugverkehr, von der die Preußische Staatsbahn 1913 zunächst 18 Stück für die Strecke Magdeburg-Dessau-Bitterfeld-Leipzig-Halle bestellt hatte.

Ungewöhnlich war allerdings, dass die Briefmarke mit diesem Motiv aus Nordkorea kam. Doch die Herkunft war eindeutig: Denn die Buchstaben „DPR Korea“ stehen für Democratic People’s Republic of Korea, also Volksrepublik Korea.

Für 0,30 Euro ersteigert

„Anbieter war ein Händler aus Frankreich“, weiß Klebes, der der einzige Bieter war und das gute Stück schließlich für 30 Cent ersteigerte. Und damit war seine Neugier geweckt. „Ich wollte natürlich wissen, woher die Nordkoreaner das Lok-Motiv hatten.“

Dank Bildersuche im Internet stieß er schließlich auf der Homepage eines Kollegen aus Dresden auf einen Bitterfelder Notgeldschein aus dem Jahr 1921. Und der zeigt exakt das gleiche Motiv wie die nordkoreanische Briefmarke von 1980.

„Die nordkoreanische Postverwaltung nahm als Vorlage einfach einen Notgeldschein aus Bitterfeld - natürlich ohne zu fragen. Die haben das Lok-Motiv tatsächlich geklaut.“

Derselbe Loktyp auch in Paraguay

Dass der Lokomotiventyp E 71 auch anderswo in der Welt Fans hat, zeigt laut Klebes eine Briefmarke aus Paraguay, die ebenfalls solch eine Lok zeigt - allerdings nicht das Bitterfelder Notgeld-Motiv.

„Beide Werte erschienen 1979/80 zum Thema ,100 Jahre elektrische Eisenbahn’, die Werner von Siemens 1879 bei der Gewerbeausstellung in Berlin als Vorzeigestück präsentiert hatte.“

Notgeldschein als echtes Sammlerstück

Inzwischen hat Klebes weitere Stücke gefunden: Denn die nordkoreanische Briefmarke war kein Einzelstück, sondern ursprünglich Teil eines ganzen Blocks. Solch einen nennt der Eisenbahn-Freund inzwischen ebenfalls sein eigen.

Doch natürlich wäre die Sammlung nicht komplett, wenn das Original - der Bitterfelder Notgeldschein - fehlen würde. Klebes durchforstete das Internet - und wurde fündig.

„Ich habe jetzt Einzelmarke, Markenblock und Notgeldschein zusammen“, freut er sich. Was er für den Geldschein von 1921 bezahlt hat, verrät er nicht. „Der war auf jeden Fall teurer als die Marke aus Nordkorea. Aber er ist ja auch älter.“

Der Vergleich zwischen beiden Stücken zeigt: Ein gewisses Maß an Kreativität haben die Nordkoreaner doch an den Tag gelegt: Während die Lok auf dem Notgeld schwarz-weiß daherkommt, ist sie auf der Marke coloriert.

„Viele solcher Marken haben nie einen Brief gesehen“

Der Motivdiebstahl selbst überrascht Günther Klebes übrigens wenig. „Das haben auch manche afrikanische Staaten gemacht: einfach ein schönes Motiv genommen und auf eine Briefmarke gesetzt.“ Dadurch erhoffe man sich Einnahmen durch Sammler. „Viele solcher Marken haben nie einen Brief gesehen.“

Doch so stolz Günther Klebes auf seine Bitterfelder E 71-Lok in dreifacher Ausführung ist - in der Goitzsche-Stadt war er bislang noch nicht. Aber in die Nähe hat er es immerhin schon geschafft: „Ich habe bei der Mansfelder Bergwerksbahn meinen Ehrenlokführer gemacht.“

Durch seine Sammlerneugier hat Günther Klebes viel Licht ins Dunkel eines heimlichen Lok-Raubs gebracht. Aber ein Rätsel wird wohl auch er nicht mehr lösen: Wie der Notgeldschein einst in den Händen der abgeschotteten Nordkoraner landete. Denn das Internet konnten sie dafür 1980 noch nicht nutzen. (mz)

Günther Klebes sammelt alles zum Thema Eisenbahn - auch Briefmarken. Er entdeckte den Lok-Motiv-Klau zufällig.
Günther Klebes sammelt alles zum Thema Eisenbahn - auch Briefmarken. Er entdeckte den Lok-Motiv-Klau zufällig.
Privat