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Viele Bausteine bewegt Mehr als Kohlemilliarden: Bürgermeister Giebler blickt auf das Jahr 2021 in Muldestausee

Bürgermeister Ferid Giebler spricht im Interview über attraktive Wohnstandorte, Planungssicherheit und jede Menge Ideen.

Aktualisiert: 28.01.2022, 16:03
Bürgermeister Ferid Giebler am Muldewehr. Hier soll eine neue Brücke entstehen. Der Fördermittelbescheid ist in der Verwaltung eingegangen.
Bürgermeister Ferid Giebler am Muldewehr. Hier soll eine neue Brücke entstehen. Der Fördermittelbescheid ist in der Verwaltung eingegangen. (Foto: André Kehrer)

Pouch/MZ - Zwölf Monate zwischen Dübener Heide, Muldestausee und Goitzsche: MZ-Redakteur Ulf Rostalsky sprach über Höhen und Tiefen in der Gemeinde mit Muldestausee-Bürgermeister Ferid Giebler (parteilos).

2021 begann erneut im Lockdown. Wie sehen Sie das Jahr?

Ferid Giebler: Aus Sicht der Gemeinde bewahrten wir uns trotz aller Widrigkeiten unsere Handlungsfähigkeit und setzten wesentliche Maßnahmen um. Im großen Stil übernahmen wir zusätzliche Aufgaben, wie dezentrales Impfen und Teste, um einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie zu leisten.

Die Gemeinde wirbt mit dem Anspruch, lebenswert zu sein. Was hat sich getan?

Die Attraktivität der Gemeinde als Wohn- und Lebensstandort ist ungebrochen. Mehrere Bebauungsplanverfahren wurden beschlossen, so dass zeitnah weitere Wohngrundstücke und Mietwohnungen zur Verfügung stehen werden. Schwerpunkt aus kommunaler Sicht ist der Bereich „Am Kienbusch“ in Burgkemnitz, wo mehr als 400.000 Euro für die Erschließung investiert werden. In Schlaitz soll das größte Bebauungsplangebiet der Gemeinde entstehen. Der seit den 1990er Jahren nie umgesetzte Bereich „Die Bienen“ soll entwickelt werden.

Im Bereich Schulen war die größte Investition die Schulhofumgestaltung in Gossa. In allen Kindereinrichtungen erfolgten Unterhaltungs- und wertsteigernde Maßnahmen, der Hort Rösa wurde erweitert und eine Vergrößerung der Kita Friedersdorf für 2022 vorbereitet. Die 550.000 Euro teure Freizeitanlage in Pouch wurde realisiert. Beschlossen ist die Erweiterung der Spielplätze Plodda und Schwemsal ab dem zweiten Quartal 2022.

Wie kann die Gemeinde die große Nachfrage an Baugrundstücken befriedigen?

Anfang 2022 wollen wir den ersten einheitlichen Flächennutzungsplan der Gemeinde beschließen. Der Ausbau der Wohnmöglichkeiten ruht auf mehreren Säulen: Einfamilien- und Mehrfamilienhausstandorte, reine Mietwohnungen, betreutes und Pflegewohnen sowie das Schließen von Baulücken. Von gemeindeweit 177 Baulücken konnten innerhalb der letzten zwei Jahre 44 geschlossen werden. Auf Grundstückseigentümer, die Wohnbauflächen zur Verfügung stellen könnten, dies aber in rechtskräftigen Bebauungsplangebieten nicht tun, werden wir den Druck erhöhen, dem Baugebot zu folgen.

Schlagzeilen machte die Kommune mit den Ideen für den Strukturwandel. Neu-Muldenstein und das kommunale Rechenzentrum sind Beispiele. Wie ist der aktuelle Stand?

Wir haben uns die Förderung für das „Bioenergiedorf Neu-Muldenstein“ gesichert. Seit Dezember liegt zum Beispiel der Förderbescheid für den Neubau der Rad- und Fußgängerbrücke über die Mulde vor. Der Bebauungsplan für den Standort der Kita wird im Januar beschlossen, die Erschließung im Wohngebiet „Am Feldberg“ soll bald folgen. Dann müssen Bahnhof und Verkehrsflächen geplant und umgesetzt werden. Zum Rechenzentrum am Standort der Ziegelei haben wir einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst. Alles Weitere hängt vom Landkreis als Antragssteller ab.

Anziehungskraft hat die Gemeinde nicht zuletzt wegen der Goitzsche. Wie sehen Sie die Zukunft des Goitzsche-Zweckverbandes?

Die interkommunale Zusammenarbeit muss flexibler sein und sich stärker an den Interessen der Kommunen orientieren. Der Zweckverband macht nur Sinn, wenn er das gesamte Gemeinde- und Stadtgebiet aller Mitglieder betrachtet und Aufgaben wahrnimmt, die wir nicht ohnehin bereits selbst erledigen.

Für Aufsehen hat der Streit um die Schranke an der Zufahrt zur Halbinsel Pouch und deren teilweise Demontage geführt. Gibt es Neuigkeiten?

Die gegen mich gestellte Strafanzeige lief ins Leere. Das Verfahren wurde eingestellt, weil ich als Hauptverwaltungsbeamter und die Gemeinde korrekt gehandelt haben. Die Zeiten, dass Entscheidungen per Zuruf erfolgten oder der Gemeinde von Privaten vorgegeben wird, was und wie entwickelt werden soll, sind vorbei.

Die Halbinsel Pouch ist Veranstaltungsort. Der Partysommer mit dem Spring Break fiel auch 2021 pandemiebedingt aus. Ein herber Schlag?

Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Einwohnern und Gästen stehen an erster Stelle. Jedes abgesagte Festival ist für die Allgemeinheit ein Verlust. Wir hoffen, dass künftig kleine und größere Veranstaltungen wieder möglich sein werden.

Die Gemeinde startete mit einem knappen Budget. Sie musste sogar Haushaltssperren erlassen. Warum?

Wir rechneten 2021 mit Einnahmen aus dem Verkauf von Grundstücken in Burgkemnitz. Das Bebauungsplanverfahren konnte jedoch nicht so zügig abgeschlossen werden, wie erwartet. Auch das Vermessen und Zerlegen der Grundstücke verzögerte sich. Da die Einnahmen aus Verkäufen nicht erzielt werden konnten, mussten Ausgaben von circa 400.000 Euro gesperrt werden.

Wie beurteilen Sie die Leistung von Ehrenamtlern und Vereinen?

Ohne die engagierten Bürger wären wir in vielen Bereichen ziemlich aufgeschmissen. Ich erinnere allein an die Rettungsorganisationen, die das dezentrale Impfen und Testen absichern sowie unsere Feuerwehren und die Wasserwehr, die oft im Einsatz waren. Ohne unsere Sportvereine hätten wir sicherlich keine so aktiven Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde. Ohne die Unterstützung von Eltern würden viele Angebote in den Kitas und Horten nicht möglich sein.

Die Beauftragten für Senioren und Menschen mit Behinderungen sind ein wichtiges Sprachrohr der älteren Generation wie der Jugendgemeinderat für alle jungen Leute. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl „unorganisierter“ Ehrenamtler, die spontan helfen. All diesen engagierten Menschen gebührt unser Dank.

Schaffen Sie es, alle Ortsteile mitzunehmen?

Wir sind die Gemeinde mit den meisten Ortschaftsräten, nämlich 13, im gesamten Landkreis. Die Interessen in allen Orten sowie oft auch innerhalb der Orte sind sehr unterschiedlich, teils gegensätzlich. Den Ausgleich der Interessen zu moderieren ist Daueraufgabe für mich und den Gemeinderat. Nicht alles, was gewünscht wird, ist machbar. Für große Investitionen müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Die Freizeitanlage in Pouch ist ein „Eisbrecherprojekt“, andere werden folgen.

Nach dem Neubau der Feuerwehr Schmerzbach ebnen wir nun den Weg für ein neues Feuerwehrgerätehaus in Burgkemnitz sowie neue Fahrzeuge für die Ortswehren Muldenstein und Gröbern. Nachdem für die Wasserwehr lange kein geeignetes Fahrzeug vorhanden war, bekamen wir Anfang 2022 endlich einen neuen Lkw vom LHW zur Verfügung gestellt.

In Sachen Dorfleben geht es auch um Geld. Wie steht es um Brauchtumsmittel, die 2021 wegen Corona und weggefallener Veranstaltungen nicht abgerufen werden konnten?

Der Gemeinderat folgte unserer Empfehlung bei der Beschlussfassung zum Haushalt 2021, die Mittel für übertragbar zu erklären. Heißt, nicht verbrauchte Mittel können nach 2022 übertragen werden ohne zu „verfallen“.

Wie hat sich die Arbeit im Gemeinderat gestaltet?

Ich danke ausdrücklich den progressiven Gemeinde- und Ortschaftsräten für viele gute Hinweise und Ergänzungen, gemeinsame Aktivitäten und Projekte. Für das Verhalten einzelner Räte, die meinen, dass es auf unserer kommunalen Ebene einer „Opposition aus Prinzip“ bedarf und grundsätzlich der Verwaltung Handeln zum Nachteil unserer Bürgerinnen und Bürger bis hin zu rechtswidrigem Handeln vorwerfen, habe ich absolut kein Verständnis.

In erheblichem Maße wurde die Gemeinde durch diverse gewährte Akteneinsichten, kommunalaufsichtliche Überprüfungen, Beanstandungen beim Landesverwaltungsamt oder die gegen mich angestrengten Dienstaufsichtsbeschwerden bis hin zu Strafanzeigen gehemmt, wobei in keinem einzigen Fall ein rechtswidriges oder gar für die Gemeinde Muldestausee nachteiliges Handeln festgestellt werden konnte.