Machtspiele in Raguhn-Jeßnitz Machtspiele in Raguhn-Jeßnitz: Thurländer Salate GmbH im Konflikt mit anderer Firma

Thurland - Machtspiele in Raguhn-Jeßnitz: Ein Großunternehmer in Thurland macht sein Glück in der Stadt von einem kleinen abhängig. Dafür wird sogar Staatssekretär Thomas Wünsch zur Stadtratssitzung nach Raguhn-Jeßnitz gefahren. Dort erklärte der SPD-Mann den Stadträten, dass die Thurländer Salate und Feinkost GmbH eine „echte Perle“ sei. Bei diesem Abendtermin am 30. Mai schwärmten zudem die Chefs von IHK und EWG dem Gremium von dem Unternehmen vor, das laut eigenen Angaben eine Großinvestition plant.
Mehr als eine Stunde später sollten die Stadträte im nicht-öffentlichen Teil über eine Grundstücksangelegenheit entscheiden. Allerdings nicht zur Thurländer Salate und Feinkost mit Geschäftsführer und Stadtrat Manfred Dreißig (SPD). Sondern über das Grundstück der deutlich kleineren Firma Böhme Bau.
Das Problem in Thurland laut Dreißig: Durch das Lager der benachbarten Firma von Heiko Böhme würden Emissionswerte in dem Gebiet ausgereizt, geplante Investitionen des Salate-Unternehmens deshalb behindert. Heiko Böhme äußert sich nicht.
„Da hat sich jemand Mühe gegeben, etwas zu finden“
Dessen Betrieb musste vor kurzem noch einmal einen Bauantrag für seine Lagerfläche in Thurland abgeben. Dabei ist Böhme dort seit Jahrzehnten aktiv. Aber jetzt fiel auf, dass eine Genehmigung fehlt. „Das ist ein Versäumnis des Landkreises“, meint ein Raguhn-Jeßnitzer anonym. Er vermutet auch, dass dem kleinen Betrieb übel mitgespielt wird: „Da hat sich jemand Mühe gegeben, etwas zu finden.“
Nach Angaben des Landkreises Anhalt-Bitterfeld kam der Hinweis zur fehlenden Genehmigung aus der Stadtverwaltung Raguhn-Jeßnitz. Am 28. März habe der Betrieb deshalb einen neuen Antrag für sein Lager eingereicht. Eine Entscheidung steht noch aus, erklärt Landkreis-Sprecherin Marina Jank.
Zumindest die formell nötige Abfrage bei der Stadt Raguhn-Jeßnitz ist erledigt. Am 30. Mai – nach dem Auftritt von Staatssekretär Wünsch – stimmte die Mehrheit des dortigen Stadtrats bei der Grundstücksangelegenheit quasi gegen den Bauantrag. Das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Stadtrats ist protokolliert worden. Das geschieht eher selten, nur bei wichtigen Beschlüssen.
Aus Stadtratskreisen von Raguhn-Jeßnitz ist das Wort „Erpressung“ zu hören
Nach diesem Nein aus Raguhn-Jeßnitz müsste der Landkreis dieses Votum überstimmen. Tut er das nicht, würde die Firma Böhme Bau die Legitimation für ihr Lager in Thurland verlieren. Parallel sind dem Unternehmer aus Retzau bereits von der Stadt Alternativ-Grundstücke angeboten worden. Das bestätigt Bürgermeister Bernd Marbach (parteilos). Doch zu einer Einigung ist es offenbar noch nicht gekommen.
Eine Ablehnung des Bauantrags würde den Druck auf den Unternehmer Heiko Böhme erhöhen. Aus Stadtratskreisen ist das Wort „Erpressung“ zu hören. „Klar sind wir für eine gute wirtschaftliche Entwicklung von Raguhn-Jeßnitz. Aber das darf nicht auf Kosten einzelner passieren“, sagt ein Mitglied.
Bedeutung der Thurländer Salate und Hähnchen ist groß für die Stadt
Schon jetzt ist die Bedeutung der Thurländer Salate und Hähnchen groß für die Stadt. Das Unternehmen zählt zu den größten Gewerbesteuerzahlern in Raguhn-Jeßnitz. Ohne seine Präsenz würde dem Bürgermeister ein sechsstelliger Betrag im Jahr verloren gehen. Und dieser Verlust droht, falls der Unternehmer Manfred Dreißig Ernst macht und sein Glück künftig woanders sucht. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich bereits in anderen Städten umgeschaut hat. Auch bei Bürgermeister Andy Grabner (CDU) in Sandersdorf-Brehna hatte er schon angeklopft.
Staatssekretär Wünsch war übrigens auf Einladung des Bürgermeisters im Raguhn-Jeßnitzer Stadtrat. Das erklärte ein Ministeriumssprecher am Dienstag der MZ. „Herr Wünsch will sich aber ungern in den Streit einmischen.“ (mz)
Die Stadt Raguhn-Jeßnitz übt in Thurland ein Vorkaufsrecht aus. Dort sollte ein Flächenverkauf stattfinden innerhalb der Familie Böhme. Die Stadt funkte dazwischen und zog ihr Vorkaufsrecht – „zu Gunsten eines Dritten“ hieß es im Beschluss. Fehlte nur noch ein Okay des Finanzausschusses, damit die Stadt für den Kauf 6.000 Euro ausgeben kann.
Das Gremium stimmte mit nur einer Enthaltung (Tilo Hörtzsch, CDU) fast einstimmig zu. Manfred Dreißig durfte nicht abstimmen, er hatte wegen Befangenheit ein Mitwirkungsverbot.