Loberschule in Bitterfeld Loberschule in Bitterfeld: Senioren wohnen im Klassenzimmer

Bitterfeld - Warum nicht in einer alten Schule wohnen? Erika Weber kann sich das vorstellen. Gleichwohl sie momentan noch nicht ernsthaft an einen Einzug in die ehemalige Loberschule in Bitterfeld denkt. „Aber man weiß nie, was kommt und wann man Hilfe braucht“, sagt die Frau, die voller Neugier durch den neuen Service-Wohnbereich des Kreisverbandes Bitterfeld der Arbeiterwohlfahrt streift. Zwölf Wohnungen warten hier auf ihre ersten Mieter.
Die Awo hat die Chance beim Schopf gepackt und der alten Schule neues Leben eingehaucht, nachdem die als städtische Bibliothek nicht mehr benötigt worden war. „Wir haben viel Kraft und Geld investiert“, erklärt Sabine Ameling, die Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes. Genaue Bausummen nennt sie nicht. Nur soviel: Die Awo habe tief in die Tasche gegriffen und sich auch über Zuwendungen einer Lotteriegesellschaft freuen können.
Nach zwölf Monaten Bauzeit ist sich die alte Loberschule nur außen treu geblieben. Die historische Fassade steht noch immer, soll aber noch eine Frischzellenkur verpasst bekommen. „Mich freut das. Ich liebe die alten Gebäude“, erzählt Erika Weber. Sie ist wie Beate Winkler eine waschechte Bitterfelderin und kann Geschichten erzählen. Die tägliche Begegnung mit der Loberschule hat geprägt. „Der Spruch über der Tür, dass man nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernt, hat mich immer begleitet“, meint Erika Weber und zieht den Hut vor den Bauleuten.
Der Kreisverband Bitterfeld der Arbeiterwohlfahrt (Awo) wurde am 10. April 1991 gegründet. Heute sind im Altkreis gut 300 Mitglieder organisiert. Ortsvereine gibt es in Bitterfeld, Brehna, Greppin und Wolfen. Unter dem Dach der Awo und der Soziale Dienste gGmbH arbeiten unter anderen Begegnungsstätten, die Bitterfelder Tafel, das Betreute Wohnen, die Sozialstation, Schwangerschafts- und Schuldnerberatung sowie vier Kindertagesstätten und eine Tagesgruppe.
Weitere Infos zum Kreisverband und seinen Aktivitäten stehen im Netz unter www.awo-kv-bitterfeld.de
Die haben alte Klassen- und spätere Bibliotheksräume in praktische Wohnbereiche umgestaltet. Jedes Zimmer verfügt über ein eigenes Bad. Das Obergeschoss ist klassisch über die historische Treppe oder über einen Fahrstuhl erreichbar. Das Highlight ist der Wintergarten. „Hier ist der gemeinsame Wohnbereich für alle Bewohner“, erklärt Sabine Ameling. Sitzecken wurden aufgestellt. Eine Küchenzeile ist vorhanden. Ein großer Bildschirm liefert aktuelles Fernsehen. „Die Leute sollen sich wohlfühlen und den Alltag auch gemeinsam erleben“, sagt sie.
Angebot gegen das Vereinsamen
Das Service-Wohnen im Awo-Sinne ist ein Angebot gegen das Vereinsamen. Zwar hat jeder Bewohner sein eigenes kleines Reich. Er kann aber auf die Nachbarn zugehen. Übrigens auch auf die, die in den benachbarten 50 Quartieren des Betreuten Wohnens ihr Zuhause gefunden haben. Einziger Stolperstein ist momentan die Passage von alter Schule in den Nachbarwohnbereich. „Wir haben noch keine direkte Verbindung. Wir arbeiten aber daran“, so Sabine Ameling.
Am 2. Mai sollen in der Loberschule die ersten Mieter einziehen. Bis dahin sind noch Feinarbeiten zu erledigen. Sie fielen beim Tag der offenen Tür nicht ins Auge. Aber Ordnung soll sein. Ein farbenfroh gestaltetes Postfach ohne Schloss? Ein Unding für die Hausherren. „Aber das sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was hier geschaffen worden ist.“ Die Awo-Chefin zieht den Hut vor den Baufirmen aus der Region und nennt das eine Punktlandung. Alles ist genau zur rechten Zeit fertig geworden.
Einziehen im Service-Wohnen kann praktisch jeder. Eine Pflegestufe ist nicht erforderlich. „Wir müssen einfach reden“, betont Sabine Ameling. Eine Trumpfkarte zieht sie noch aus dem Ärmel: Der neue Wohnbereich ist 24 Stunden am Tag von wenigstens einem Mitarbeiter besetzt. Der soll das Leben im Hintergrund organisieren. (mz)

