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Kraftprotze unter dem Fluss

Von CHRISTINE KRÜGER 18.09.2009, 16:49

JESSNITZ/MZ. - Mit seinem Opa aus Wolfen ist er in die Nachbarstadt gekommen, um sich einmal das Wasserwerk anschauen zu können. Das kann man wahrlich nicht immer. Doch jetzt, während der Festwoche zum Stadtjubiläum, kann man es. Für zwei Tage ist es jeweils für ein paar Stunden am Nachmittag für die Öffentlichkeit geöffnet. Und die Jeßnitzer und ihre Gäste haben diese Chance reichlich genutzt.

"So ein Wasserkraftwerk ist ja immer noch eine Rarität. Und dessen Bau war damals, vor ein paar Jahren, nicht unumstritten. Ökologisch ist das schon eine tolle Sache", erklärt Leons Opa Bernd Wießenbach, der staunt, wie viele Leute sich auf den kleinen Platz vor dem unscheinbaren Häuschen an der Leopoldbrücke versammeln. Mit so einem Andrang, sagt selbst Horst Schütze vom Vorbereitungskomitee des Stadtjubiläums, habe wohl niemand gerechnet.

Und so geht es eben nur gruppenweise runter in den Betriebsraum. Der liegt 7,5 Meter unter dem Wasserspiegel der Mulde, erklärt Martin Hilgert, der technische Leiter der Anlage. Das scheint das Stichwort für Karsten zu sein, skeptisch blickt er nach oben. Doch schon gilt sein Interesse zwei farbenfroh gestalteten riesigen Rohren. Diese Turbinen sind in der Lage, im Jahr etwa 4,5 Millionen Kilowattstunden Strom zu erzeugen. Das reicht aus, um ungefähr 1 800 Haushalte ein Jahr lang versorgen zu können, so Hilgert. Er hat es nicht leicht, denn gegen den Maschinenlärm hier unten muss er mit seiner Stimme gewaltig ankämpfen. 20 Kubikmeter Wasser durchströmen in der Sekunde jede Turbine. Im Normalfall. Jetzt allerdings ist die Leistung gedrosselt, der Wasserstand der Mulde ist niedrig, erklärt der Experte. "Zwei bis drei Kubikmeter Wasser braucht man als Mindestmenge für die Energieerzeugung. Und dann kommt es auf das Gefälle an. Ohne das geht es nicht, das haben schon die Mathematiker vor tausend Jahren gewusst." Bei Hochwasser also läuft gar nichts.

Ursula Folta ist ein bisschen traurig: Sie muss wieder gehen, ohne etwas gesehen zu haben. "Schade", meint sie. "Ich kann nicht so lange warten, bis ich dran wäre." Und das hat seinen Grund: Am Abend findet in der Kirche ein Konzert statt, das der Volkschor "Muldeklang" zum Stadtjubiläum bietet. Ursula Folta ist Chormitglied, sie will sich in Ruhe noch vorbereiten auf das Konzert. "Es ergibt sich schon mal wieder eine Möglichkeit, das Kraftwerk anzugucken", ist sie sich sicher.

Gelohnt hat sich der Weg zur Leopoldbrücke für Paul-Anton Schmidt und seinen Freund Frederick Oehne auf alle Fälle. Die beiden Zehnjährigen waren neugierig auf das, was sie noch vorher nie gesehen hatten. Sie wussten nur, dass "da was Großes, Starkes drin ist", das die Kraft aus dem Wasser holt und in Strom umwandelt.

2003 ist das Wasserkraftwerk an der Mulde in Jeßnitz in Betrieb gegangen. Bereits ein Jahr vorher war es fertig, doch dann kam das Hochwasser, dessen Schäden dann beseitigt werden mussten. Hans-Peter Scherr erinnert sich daran. Einmal konnte er während der Bauzeit einen Blick in die Anlage werfen. "Es interessiert mich, wie das jetzt aussieht", sagt er. "Ich will jetzt mal sehen, wie es läuft. Ich bin ja ein totaler Verfechter der alternativen Energiegewinnung."

Eigentümer und Betreiber des Kraftwerks sind zwei Privatfamilien aus Alsleben bei Bernburg und aus Rochlitz in Sachsen, die eine Betreibergesellschaft gegründet haben.