Kostümball in Pretzsch Kostümball in Pretzsch: Kellnerin hält Biotop feucht
Pretzsch/MZ. - Eine wahre Unterwasserwelt entblätterte sich über Tisch, Stühle und ein gutes Dutzend Personen. Seit dem Sommer, so Karina Egermann, hätten sie an ihren Kostümen gebastelt, weil im Winter die Farbe so schlecht trocknet. Zehn Kilogramm Muscheln wurden gesammelt sowie die Ginsterbüsche der Umgebung, in Ermangelung von Seegras, geplündert. Das alles, dazu Haie, Seesterne und manch anderes, zu dessen Bestimmung es eines erfahrenen Meereskundlers gebraucht hätte, kam auf ausrangierte grüne OP-Kittel. "Hundert Stunden werden wohl für mein Kostüm nicht reichen", meinte Carmen Thiele. "In Pretzsch gibt''s doch nur Heimatfest und Karneval", erklärte Karina Egermann. "Und das kosten wir so richtig aus."
Nach all der Plackerei genoss die Truppe das Feiern. Immerhin, die Kellnerin sorgte eifrig dafür, dass das Biotop nicht austrocknet. Doch sie hatte auch noch andere Pflanzen zu gießen, ein Grüppchen Sonnenblumen durfte schließlich nicht welken. Und ganz trocken stand der Satz Kakteen aus dem benachbarten Priesitz, wo in zwölf Tagen ebenfalls ein Kostümball steigt, ebenfalls nicht. Dagegen mochten die Blumenkinder weniger Wasser und mehr Gras.
Mit wilden Tieren und dem stärksten Mann der Welt war der Circus Maximus angereist. Pascha Willi ließ sich von orientalischen Schönheiten betören, aber halt, war da nicht ein Damenbart hinter dem Schleier? Irgendwie sahen die Feuerwehrleute früher doch anders aus. "Wir haben den Zirkus im Saal, bei manch anderem ist er im Rathaus", kommentierte Karlheinz Horn, Präsident des Pretzscher Karnevals-Vereins, den Auftritt.
Da eine Wertung fast unmöglich war, standen bei der Prämierung die Nibelungen um König Gunther und die holde Brunhilde ebenso vorn wie Vampire, Spanier, ein Grüppchen Eidgenossen und natürlich die Sackgasse. Letztere setzte sich, wie schon der Name sagt, aus Säcken zusammen, so gesehen den Lach-, Lumpen-, Geld- und auch Saftsack. Das Kuriose war, dass zufällig am Tisch Fleischermeister Manfred Murche und Frau (seit unerdenklichen Zeiten erstmals kostümiert) Platz nahmen - zufällig als Kartoffelsäcke, was natürlich für Heiterkeit sorgte.
Die Funkengarden gaben ihr Bestes, um die Stimmung im Saal zum Sieden zu bringen. Da das Männerballett durch mehrere Krankheitsfälle verhindert war, legten sich die Vereinsfrauen als Popstars gleich doppelt ins Zeug. Selbst Karlheinz Horn hatte seine liebe Mühe, die "Blondinen" auseinander zu halten. Vermisst wurde beim Kostümball ein Stammgast, und zwar der Pretzscher Pfarrer. Der hatte jedoch einen guten Grund, nicht zu kommen. Er ist vor kurzem zum zweiten Mal Vater geworden.