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Komplex in Carlsfeld Komplex in Carlsfeld: An das einstige Krankenhaus können sich noch viele erinnern

Von Juliane Nentwig 06.07.2019, 12:00
Historische Ansicht des Gebäudekomplexes in Carlsfeld, wo noch vom „Knappschaftskrankenhaus“ die Rede ist.
Historische Ansicht des Gebäudekomplexes in Carlsfeld, wo noch vom „Knappschaftskrankenhaus“ die Rede ist. Repro Berger

Carlsfeld - Über eine Woche feierte die Stadt Sandersdorf-Brehna ihr zehnjähriges Bestehen. Bis in den letzten Winkel war die Festdekade der Stadt vorgedrungen: Regionalhistoriker Benny Berger hatte sich mit einem besonders interessanten Thema beschäftigt, und zwar dem historischen Geschehen um Carlsfeld. Ein heute unscheinbar erscheinendes Fleckchen Erde zwischen B100 und einem angrenzendem Feld, das zum Ortsteil Brehna gehört.

Um 1820, als eine Chausseestraße zwischen Halle und Bitterfeld gebaut wurde, legte man Carlsfeld als Standort für einen Pferdewechsel fest. Dazu entstand auch eine Gastwirtschaft mit angeschlossenem Dreiseitenhof, der ab 1862 vom Hallenser Arzt Doktor Heinrich August Niemeyer zu einer psychiatrischen Einrichtung umgestaltet wurde. In diesem Zuge wurde auch ein 4,5 Hektar großer Erholungspark errichtet, der bis heute unter Schutz steht. Erst zur Jahrhundertwende wurde das Gelände zu einem Krankenhaus erweitert.

Da in den 1930er Jahren das modernere Kreiskrankenhaus Bitterfeld eröffnet wurde, bangten einige um den Erhalt des Standortes. Aber schon zu dieser Zeit, sollte das Knappschaftskrankenhaus Carlsfeld eine Art Notnagel für den Kriegsfall bleiben.

Ab 1941 fungierte die Klinik in Carlsfeld als Kriegskrankenhaus

Ab 1941 fungierte die Klinik in Carlsfeld tatsächlich als Kriegskrankenhaus, was zwischen Wehrmacht und Knappschaft vertraglich geregelt wurde. Zum Ende des zweiten Weltkrieges konnten circa 600 Betten (mit Außenstellen in Brehna und Landsberg) belegt werden. „Das ist natürlich nur eine Zahl. Die sagt nichts über die Leiden aus, die hier behandelt wurden“, erklärte Berger. Viele Verwundete seien aufgrund schwerer Verletzungen und der schlechten Versorgungslage nicht geheilt worden und lägen seither auf dem Gertraudenfriedhof in Halle.

Bis zur Kapitulation im Mai 1945 zählten alle Angestellten unter der Besatzung der US-Amerikaner als Kriegsgefangene. Aus einem Bericht zum Ende des Krieges geht laut Berger hervor, dass Carlsfeld wegen seiner Abgeschiedenheit und auch autarken Energieversorgung geradezu als eine „Insel der Unbekümmerten“ bezeichnet wurde.

Viele Interessierte waren vor allem nach Carlsfeld gekommen, weil sie durch Eltern oder andere Verwandte eine persönliche Beziehung zu der späteren Außenstelle des Krankenhauses in Bitterfeld hatten oder sogar auf der Geburtenstation Carlsfeld entbunden worden sind. So auch eine heutige Krankenschwester, die sich noch genau an ihre Ausbildung in Carlsfeld erinnern: „Es war wie eine Familie. Es gab eine Krippe, einen Kindergarten, einen Konsum und sogar eine Kegelbahn.“

Mittlerweile werden Teile des ehemaligen Klinikkomplexes als Pflegeheim genutzt

Auch Horst Verges erinnert sich an das Klinikgelände, auf dem in den 1950er Jahren Knochentuberkulose behandelt wurde. Die Infektionskrankheit trat in der Nachkriegszeit vermehrt durch Mangelernährung auf. Zur Behandlung wurden die Erkrankten oft wochenlang großflächig mit Gips eingeschalt und durften sich in den Liegehallen nicht bewegen.

Verges war in seiner Kindheit oftmals Müll an der Müllhalde neben dem Krankenhaus entsorgen: „Wir haben teils menschengroße Halbschalen gesehen“, berichtet der Thiemendorfer. Mittlerweile werden Teile des ehemaligen Klinikkomplexes als Pflegeheim genutzt. Wenn auch in einer anderen Form: Carlsfeld ist eine Art „Insel der Unbekümmerten“ geblieben. (mz)

Benny Berger (l.) führt eine Gruppe von Interessenten durch die Überreste des ehemaligen Krankenhauses in Carlsfeld.
Benny Berger (l.) führt eine Gruppe von Interessenten durch die Überreste des ehemaligen Krankenhauses in Carlsfeld.
Katja Münchow