Jessnitz Jessnitz: Der «Treppensteiger» gibt Amputierten Hoffnung
Jessnitz/MZ. - Ihrem Mann wurden beide Beine amputiert. Das erste 1993, das zweite am 28. Februar 2012. Diabetes. Durchblutungsstörungen - die Beine waren nicht zu retten, erzählt Joachim Rojahn. "Ich bin ans Bett gefesselt, komme hier nicht mehr raus", meint er. Im Badezimmer enden die täglichen Rollstuhlfahrten. Das befindet sich auf der selben Ebene ihres Hauses in Jeßnitz. "Bloß gut. Es sind keine Treppen zu überwinden."
In die anderen Räumlichkeiten oder nach draußen zu gelangen, ist für Joachim Rojahn schier unmöglich, es sei denn "unser Junge packt mit an". Der wohnt, "Gott sei dank" nebenan. Mit einem Bein war für Joachim Rojahn das Leben lebenswert. "Ich bin mit einer Prothese gelaufen, konnte sogar noch Auto fahren. Das ist nun alles vorbei." Rojahns Ansprüche ans Leben haben sich verändert. "Ich will doch nur noch ab und zu nach draußen. An die Luft, in den Garten. Mehr nicht."
Diese Möglichkeit bietet ihm ein so genannter Treppensteiger. Ein Hilfsmittel, um Rollstuhlfahrern das "Treppensteigen" zu erleichtern. Kostenpunkt: rund 5 000 Euro. Die Anträge mit der Bitte um Kostenübernahme wurden vor Monaten gestellt. Erst bei der zuständigen Krankenkasse: der AOK. Die ist dafür aber nicht zuständig, informiert Ralf Kitzing, Pressesprecher der AOK Sachsen-Anhalt, Region Ost. Warum nicht? "Es gibt ein Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 7. Oktober 2010. Das besagt: Ein Treppensteiger ist keine Kassenleistung", erläutert Kitzing. "Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der gesetzlichen Krankenversicherung allein geschuldete - medizinische Rehabilitation, sondern deren soziale bzw. gesellschaftliche Integration und Rehabilitation, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Sozialleistungsträger - Sozialamt - fällt", lautet die Begründung des Urteils. Für das Rentnerehepaar unverständlich.
Also schrieben sie dann einen Brief an das Sozialamt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Und so verstrichen das Frühjahr, der große Teil des Sommers. Es kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung ins Haus, um die Pflegebedürftigkeit des 71-Jährigen festzustellen. Es gab viele Telefonate und noch mehr Schriftverkehr.
Nach Anfrage bei der Kreisverwaltung Anhalt-Bitterfeld erfuhr die MZ am Mittwoch: Familie Rojahn wird in den kommenden Tagen darüber informiert, dass der Landkreis die Kosten des Treppensteigers übernimmt, so Pressesprecher Udo Pawelczyk.