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Kaufpreise sanken in zwei Jahren um 16 Prozent Immobilienpreise in Anhalt-Bitterfeld stark gesunken: Experten erklären die Ursachen

Die Kosten für Wohneigentum in Anhalt-Bitterfeld fielen von Juni 2022 bis Juni 2024 um 16 Prozent – so stark wie fast nirgendwo sonst in Deutschland. Wie erklären Experten das?

Von Robert Martin 22.07.2024, 11:00
Oliver Schwerdtfeger, Makler bei der Firma SAW Immobilien in Köthen, kennt die Entwicklungen der vergangenen Jahren aus eigener Erfahrung.
Oliver Schwerdtfeger, Makler bei der Firma SAW Immobilien in Köthen, kennt die Entwicklungen der vergangenen Jahren aus eigener Erfahrung. (Foto: Stefanie Greiner)

Bitterfeld/Köthen/MZ. - In den letzten zwei Jahren sind die Immobilienpreise in Anhalt-Bitterfeld stärker gefallen als in den meisten anderen Regionen in Deutschland. Das hat die Immobilien-Datenbank GeoMap von Real Estate Pilot in einer großen Untersuchung ermittelt. Die Experten haben die Preise von bestehenden Wohnimmobilien von Juni 2022 bis Juni 2024 untersucht. Besonders Altbauten sind in diesen 24 Monaten viel günstiger geworden.

Anhalt-Bitterfeld steht mit einem durchschnittlichen Preisrückgang von 15,9 Prozent auf Platz drei der Regionen in Deutschland, in denen die Immobilienpreise am meisten gefallen sind. Nur Weilheim-Schongau in Oberbayern und Regen im Bayerischen Wald haben einen größeren Preisrückgang. In Anhalt-Bitterfeld, das in Ostdeutschland den größten Preisrückgang hat, fiel der durchschnittliche Preis pro Quadratmeter von 1.493,58 Euro auf 1.255,87 Euro. Das sind knapp 16 Prozent. Zu den zehn Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland mit dem größten Preisrückgang gehören auch Dessau-Roßlau auf Platz acht und Wittenberg auf Platz zehn.

Die Sicht des Maklers

Doch wie lassen sich diese Zahlen, dieser Preisrückgang erklären? Und warum ist er ausgerechnet im Landkreis Anhalt-Bitterfeld so groß? Oliver Schwerdtfeger ist Immobilienmakler in Köthen und arbeitet dort seit vielen Jahren mit seiner Firma SAW Immobilien. Er meint, dass diese Zahlen logisch seien. Denn bis 2022 seien die Preise in ganz Deutschland, auch in Anhalt-Bitterfeld, ständig gestiegen und waren besonders von 2020 bis 2022 sehr hoch. „Es war wie im Wilden Westen. Da wurde einem alles aus den Händen gerissen“, erinnert er sich. Doch diese Zeiten seien vorbei.

Und warum? „Es sind verschiedene Faktoren, die da reinspielen“, sagt Schwerdtfeger und nennt die historisch extrem niedrigen Zinsen vor 2022 als Grund. „Dadurch waren plötzlich Leute in der Lage, sich eine Immobilie zu finanzieren, die es sonst nicht gewesen wären“, erklärt er. Das war gut für die Verkäufer. „Es gab mehr Käufer als Häuser“, sagt er. Das ließ die Preise steigen. Bis 2022, als die Zinsen stiegen. „Jetzt sind die Zinsen um etwa zwei Prozent höher“, erklärt der Immobilienmakler.

Anhalt-Bitterfeld liegt auf Platz drei der deutschen Kreise mit dem größten Immobilien-Kaufpreisrpckgang von 2022 bis 2024.
Anhalt-Bitterfeld liegt auf Platz drei der deutschen Kreise mit dem größten Immobilien-Kaufpreisrpckgang von 2022 bis 2024.
(Grafik: MZ/Büttner)

Als weitere Gründe sieht er den Wegfall von Förderprogrammen der Bundesregierung und die allgemeine Verunsicherung der vergangenen Jahre. Als Beispiel dafür nennt er das Heizungsgesetz. „Da haben viele beschlossen, dass sie mit dem Kauf eines Hauses noch warten. Vor allem, wenn noch eine Ölheizung drin ist. Muss ich da jetzt eine Wärmepumpe für 20.000 Euro nachrüsten oder nicht? Wenn eine Neuerung politisch angekündigt wird, verfallen die Leute erst mal in eine Schockstarre.“ Die Unsicherheit habe sich zwar etwas gelegt, sei aber noch immer spürbar, meint der Makler.

Was sagen WBG und Neubi dazu?

Mit der Sicht ist er nicht alleine. Christian Puschmann, Geschäftsführer der Wolfener Wohnung- und Baugesellschaft (WBG), ist hauptsächlich im Mietgeschäft tätig, aber nicht nur. „Wir verkaufen auch Grundstücke für Einfamilienhäuser und da hatten wir bis zum Ukraine-Krieg und den Unsicherheiten, die dadurch entstanden sind, eine sehr hohe Nachfrage nach Einfamilienhausbaugrundstücken.“ Doch diese Nachfrage sei in dieser Zeit fast überall stark eingebrochen. „Erst jetzt bekommen wir wieder vorsichtige Anfragen von Leuten, die ein Einfamilienhaus bauen möchten.“ Susann Schult, Geschäftsführerin der Neuen Bitterfelder Wohnungs- und Baugesellschaft (Neubi), spricht von einer Blase, die sich vor 2022 gebildet hatte. „Es war kein Werteinbruch, sondern die Preiserwartungen waren einfach übertrieben“, glaubt sie.

Und warum ist der Rückgang in Anhalt-Bitterfeld stärker als anderswo? „Ich denke, dass die Preise in Anhalt-Bitterfeld später als anderswo gestiegen sind, aber dann stärker bis 2022“, sagt Schult. Was den vergleichsweise hohen Sturz von 15,9 Prozent erklären könnte.

Wie es weitergehen könnte

Und wie geht es in den nächsten Jahren weiter, sinken die Preise noch mehr? Möglich ist es, wenn man auf Zahlen einer weiteren Analyse, den von der Postbank herausgegebenen Wohnatlas 2024, blickt. Er sagt, dass die Preise in ländlichen Gebieten in Ostdeutschland weiter fallen werden.

Oliver Schwerdtfeger ist vorsichtig mit Prognosen, weil er eine bleibende Unsicherheit bei potenziellen Käufern wahrnimmt. „Ich denke, dass die Preise erst einmal so bleiben. Ich glaube nicht, dass sie weiter fallen, aber einen großen Preisanstieg wird es auch nicht geben“, vermutet der Makler aber.