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Hochwasser an der Goitzsche Hochwasser an der Goitzsche: Im Tourismus herrscht nun Ebbe

Von christine krüger 21.06.2013, 18:39
Noch stehen Boote auf dem Trockenen. Sie könnten zwar im Wasser liegen, doch mit ihnen auf der Goitzsche fahren, das darf man derzeit nicht.
Noch stehen Boote auf dem Trockenen. Sie könnten zwar im Wasser liegen, doch mit ihnen auf der Goitzsche fahren, das darf man derzeit nicht. andré kehrer Lizenz

bitterfeld/MZ - Still ruht der See. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Seit der Flut ist die Goitzsche gesperrt. Für alle, die ins Wasser wollen, ist quasi Ebbe. Da stellt sich manchem schon die Frage: Ist die Goitzsche noch das Erholungsparadies, das durch die unglaubliche Wandlung einer Tagebaulandschaft entstanden und gewachsen ist? Oder sieht sie nach dem zweiten verhängnisvollen Ereignis nun doch ganz schön alt aus?

Horst Tischer, Vorsitzender des Fördervereins Goitzsche, sitzt wie ein Tiger zum Sprung bereit - wissend, dass hier durchaus nichts mehr so ist wie früher. Sein Fazit: Die Lehren aus der Flut von 2002 sind nur mangelhaft gezogen worden. Vor allem an der Mulde. Deshalb konnte sich der Deichbruch unmittelbar neben der auf sachsen-anhaltischer Seite reparierten Stelle nun auf sächsischer Seite wiederholen wie ein Deja vu.

Gerade sei die Region auf gutem Weg gewesen, meint er. Jetzt rechnet er erstmal nicht damit, dass sie einen neuen touristischen Schub kriegen wird. Denn still ruht der See - wie lange, ist ungewiss. Das ist für alle hier wie ein Schlag in die Magengrube. Vor allem der See ist es schließlich, den die Leute wollen.

War man 2002 noch fassungslos, sieht man heute klarer: Die Sicherheit der Mulde ist aus Tischers Sicht nämlich auch die Sicherheit der Seen. Dem Problem habe man von sächsischer Seite her nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Doch wer kann einem anderen Bundesland sagen, was es tun soll? Hier geht es um Vertrauen und Zusammenarbeit. Tischer will klare Entscheidungen: Hochwasserschutz gehört für ihn in Bundeshand.

„Wir verlangen, dass die Mulde sicher ist. Sachsen kann die Goitzsche nicht als Flutbecken benutzen“, schimpft er. „In den Medien redet man dann sofort von der Goitzsche in Bitterfeld. Und solange sich die Leute noch an Bitterfeld als dreckigste Stadt Europas erinnern, solange haben wir ein Imageproblem. Auch bei uns sind nach elf Jahren der Rösaer Polder und das Leine-Siel noch nicht da. Das hat man gewusst.“ Man solle mal aufhören zu sagen, die Bewilligungszeiten seien so lang. Eins ist sicher wie das Amen in der Kirche: Bleiben die Touristen weg, nimmt die Wirtschaft hier Schaden. Und die Konkurrenz schläft nicht. „Wir müssen an unsere Region denken“, mahnt er. „Da muss man Sicherheit schaffen. Und die war nach der letzten Flut augenscheinlich nicht gegeben.“

Auch Klaus Hamerla, Geschäftsführer des Goitzsche-Zweckverbandes spürte den touristischen Aufwind - es sprach sich allmählich herum, was bei Bitterfeld entstanden ist. Sogar bei Großveranstaltern wie denen des Spring Break Festivals oder der Motorboot-WM. „Wir waren ganz gut dran, der See hat ja seinen Charme“, weiß er. Doch jetzt ist der für jedermann gesperrt und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Auch das Symbol der neuen Landschaft, Seebrücke und Pegelturm, bleiben dicht. Öfter als sonst klingelt jetzt bei Hamerla das Telefon. Die Leute wollen wissen, was an der Goitzsche nach der Flut noch geht und was nicht.

Was soll er sagen? Außer baden, segeln, surfen und rudern geht alles. Natürlich: Vielen ist das zu wenig. Deshalb drängt er darauf, dass der Spiegel des Gewässers schnellstens auf Normalmaß kommt, damit der See genutzt werden kann. Schließlich ist er das Pfund zum Wuchern, weniger der Wald. Der steht wie eh und je. Und außer dem Rundweg sind alle Wege für Radler, Wanderer, Skater durch die einstige Tagebaulandschaft ok. „Die Gaststätten sind offen, die Ferienhäuser vermietbar. Auch die Landschaftskunst kann man sich angucken“, so Hamerla. „Und bei allem: Es ist nach wie vor eine schöne Landschaft.“

Das findet auch Frank Bechert. Die vierte Saison macht der Leipziger sein Segelboot an der Marina fest. Weil die Goitzsche schön ist, wie er sagt. Doch jetzt ist er dabei, sein Boot umzusetzen - es ist Mitte Juni und schönstes Segelwetter. „Ach“, meint er, „da schlagen zwei Herzen in meiner Brust - fürs Segeln und für Bitterfeld. So komisch wie das klingt, weil Bitterfeld seinen Ruf immer noch nicht richtig los ist: Es ist ’ne Liebe für mich geworden. Ich komme wieder. Definitiv.“

Das muss klingen wie Musik in den Ohren von Horst Tischer und Klaus Hamerla und allen anderen.