Historische Weihnachtspost aus Bitterfeld Historische Weihnachtspost aus Bitterfeld: Colorierte Karten waren der Renner

Bitterfeld - Die Bitterfelder nutzten das Verschicken weihnachtlicher Postkarten zugleich, um Verwandten zu zeigen, wie ihre Stadt aussieht. Nur wenige dieser historischen Weihnachtskarten haben überlebt, einige Raritäten gar den Weg ins Museum gefunden. Sie erzählen viel aus der Historie Bitterfelds. Kreismuseums-Mitarbeiter Steven Pick hat mit der MZ im Archiv gestöbert.
Analoge SMS
Auffallend ist, dass etliche Karten auf dem Motiv beschrieben sind. „Das war normal“, erklärt Pick. „Bei den ursprünglichen Ansichtskarten - so ist ihr exakter Name - war das Schriftfeld grundsätzlich vorn. Die Rückseite war nur für die Adresse.“ Lange Texte seien nicht üblich gewesen. „Man hinterließ nur Kurznotizen. Das waren quasi analoge SMS.“
So zeigt eine Karte von 1899 die St. Antoniuskirche, wo laut der Nachricht die kleine Gertrud getauft wurde. Sechs Jahre später war das Gotteshaus verschwunden, nur eine kleine Kapelle davon blieb dank des Engagements von Museumsgründer Emil Obst stehen. Bis 1910 entstand dann die neue Stadtkirche mit wesentlich höherem Turm in typischer Ziegelbauweise. Sie ist allerdings nach Norden statt nach Osten ausgerichtet. „Das Fundament ist aus Porphyrgestein vom Muldensteiner Berg“, weiß Pick.
Eine Karte zeigt das 1899 errichtete, 18 Meter hohe Kriegerdenkmal im künstlichen Schneegestöber. Es erinnerte an den deutsch-österreichischen Krieg von 1861 und den deutsch-französischen Krieg 1870/71, in dessen Folge das Deutsche Reich gegründet wurde. Im November 1964 wurde der Koloss abgerissen. An seiner Stelle steht heute das Café Goldstein.
Spannender ist ein anderes Detail auf der Karte: Die 1895 erbaute katholische Kirche hat noch gar keinen Turm. „Der wurde ja auch erst 1928 fertiggestellt“, so Pick. Er weiß auch, warum es überhaupt zum Kirchenbau kam. „Damals landeten viele Polen in Bitterfeld, eine katholische Gemeinde entstand. Und die ließ die Kirche bauen.“ Für ihn nur ein Beispiel dafür, dass Bitterfeld stets eine „Stadt des Umwälzens“ war. „Viele kamen wegen der Arbeit, sind später weitergezogen. Richtige Bitterfelder mit mehreren Generationen Familiengeschichte gibt es kaum.“
Lindenstraße wenig verändert
Wenig verändert hat sich die Lindenstraße seit 1905 - bis auf die namensgebenden Bäume. Als sie 1857 in Schmuckbauweise entstand, war sie ungepflastert und hieß nur „Weg nach dem Bahnhof“. 1871 kamen die Linden und der neue Name. „1974 wurden die Bäume gefällt - für Kurzzeitparkplätze“, hat Pick herausgefunden.
Ein Renner waren vor mehr als hundert Jahren sicherlich die colorierten Karten. So zeigt ein Schmuckstück von 1900 eine idyllische Schlittschuh-Szenerie auf dem Großen Teich. „Der wurde ja richtig bewirtschaftet mit Fischzucht und im Winter als Freizeitort vermarktet mit Schlittschuhausleihe und Rodelbahn“, so Pick. Bis kurz vor 1900 habe es zudem den mittleren und den kleinen Teich gegeben. „Alle waren mit Kanälen verbunden.“ Wie das Gebiet zwischen Plan und Krautwall um 1905 aussah, zeigt eine andere bunte Winterkarte. Das größte Haus darauf steht noch heute als Ruine direkt gegenüber der MZ-Redaktion. Viele andere Häuser wurden zwischen 1967 und 1977 abgerissen.
Manches aber hat sich gar nicht verändert. Der Weihnachtsbaum auf dem Bitterfelder Markt stand bereits 1930 an fast der selben Stelle wie heute. Nur die Beleuchtung war wahrlich glanzvoller. (mz)



