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Historische Weihnachtspost aus Bitterfeld Historische Weihnachtspost aus Bitterfeld: Colorierte Karten waren der Renner

Von Frank Czerwonn 24.12.2015, 17:24
Die Karte mit dem Bitterfeld-Spruch zeigt den Plan um 1905 von der Mühlstraße aus. Vorn links das Haus steht noch, von den rechten Gebäuden sind nur das vierte und fünfte von rechts erhalten.
Die Karte mit dem Bitterfeld-Spruch zeigt den Plan um 1905 von der Mühlstraße aus. Vorn links das Haus steht noch, von den rechten Gebäuden sind nur das vierte und fünfte von rechts erhalten. Kreismuseum Bitterfeld Lizenz

Bitterfeld - Die Bitterfelder nutzten das Verschicken weihnachtlicher Postkarten zugleich, um Verwandten zu zeigen, wie ihre Stadt aussieht. Nur wenige dieser historischen Weihnachtskarten haben überlebt, einige Raritäten gar den Weg ins Museum gefunden. Sie erzählen viel aus der Historie Bitterfelds. Kreismuseums-Mitarbeiter Steven Pick hat mit der MZ im Archiv gestöbert.

Analoge SMS

Auffallend ist, dass etliche Karten auf dem Motiv beschrieben sind. „Das war normal“, erklärt Pick. „Bei den ursprünglichen Ansichtskarten - so ist ihr exakter Name - war das Schriftfeld grundsätzlich vorn. Die Rückseite war nur für die Adresse.“ Lange Texte seien nicht üblich gewesen. „Man hinterließ nur Kurznotizen. Das waren quasi analoge SMS.“

So zeigt eine Karte von 1899 die St. Antoniuskirche, wo laut der Nachricht die kleine Gertrud getauft wurde. Sechs Jahre später war das Gotteshaus verschwunden, nur eine kleine Kapelle davon blieb dank des Engagements von Museumsgründer Emil Obst stehen. Bis 1910 entstand dann die neue Stadtkirche mit wesentlich höherem Turm in typischer Ziegelbauweise. Sie ist allerdings nach Norden statt nach Osten ausgerichtet. „Das Fundament ist aus Porphyrgestein vom Muldensteiner Berg“, weiß Pick.

Eine Karte zeigt das 1899 errichtete, 18 Meter hohe Kriegerdenkmal im künstlichen Schneegestöber. Es erinnerte an den deutsch-österreichischen Krieg von 1861 und den deutsch-französischen Krieg 1870/71, in dessen Folge das Deutsche Reich gegründet wurde. Im November 1964 wurde der Koloss abgerissen. An seiner Stelle steht heute das Café Goldstein.

Spannender ist ein anderes Detail auf der Karte: Die 1895 erbaute katholische Kirche hat noch gar keinen Turm. „Der wurde ja auch erst 1928 fertiggestellt“, so Pick. Er weiß auch, warum es überhaupt zum Kirchenbau kam. „Damals landeten viele Polen in Bitterfeld, eine katholische Gemeinde entstand. Und die ließ die Kirche bauen.“ Für ihn nur ein Beispiel dafür, dass Bitterfeld stets eine „Stadt des Umwälzens“ war. „Viele kamen wegen der Arbeit, sind später weitergezogen. Richtige Bitterfelder mit mehreren Generationen Familiengeschichte gibt es kaum.“

Lindenstraße wenig verändert

Wenig verändert hat sich die Lindenstraße seit 1905 - bis auf die namensgebenden Bäume. Als sie 1857 in Schmuckbauweise entstand, war sie ungepflastert und hieß nur „Weg nach dem Bahnhof“. 1871 kamen die Linden und der neue Name. „1974 wurden die Bäume gefällt - für Kurzzeitparkplätze“, hat Pick herausgefunden.

Ein Renner waren vor mehr als hundert Jahren sicherlich die colorierten Karten. So zeigt ein Schmuckstück von 1900 eine idyllische Schlittschuh-Szenerie auf dem Großen Teich. „Der wurde ja richtig bewirtschaftet mit Fischzucht und im Winter als Freizeitort vermarktet mit Schlittschuhausleihe und Rodelbahn“, so Pick. Bis kurz vor 1900 habe es zudem den mittleren und den kleinen Teich gegeben. „Alle waren mit Kanälen verbunden.“ Wie das Gebiet zwischen Plan und Krautwall um 1905 aussah, zeigt eine andere bunte Winterkarte. Das größte Haus darauf steht noch heute als Ruine direkt gegenüber der MZ-Redaktion. Viele andere Häuser wurden zwischen 1967 und 1977 abgerissen.

Manches aber hat sich gar nicht verändert. Der Weihnachtsbaum auf dem Bitterfelder Markt stand bereits 1930 an fast der selben Stelle wie heute. Nur die Beleuchtung war wahrlich glanzvoller. (mz)

1899 stand die St. Antoniuskirche in Bitterfeld noch. Erst 1905 wurde sie abgebrochen und an ihrer Stelle bis 1910 die heutige Stadtkirche erbaut. Damals wurden die Grüße auf die Motivseite der Karten geschrieben.
1899 stand die St. Antoniuskirche in Bitterfeld noch. Erst 1905 wurde sie abgebrochen und an ihrer Stelle bis 1910 die heutige Stadtkirche erbaut. Damals wurden die Grüße auf die Motivseite der Karten geschrieben.
Kreismuseum Bitterfeld Lizenz
Auf dem großen Teich (gesehen von der Gartenanlage Krautwall) wurde um 1900 Schlittschuh gelaufen. Das Haus mit dem qualmenden Schornstein ist die Färberei Fox, rechts steht die Lobermühle.
Auf dem großen Teich (gesehen von der Gartenanlage Krautwall) wurde um 1900 Schlittschuh gelaufen. Das Haus mit dem qualmenden Schornstein ist die Färberei Fox, rechts steht die Lobermühle.
Kreismuseum Bitterfeld Lizenz
1899 wurde das Kriegerdenkmal erbaut. Heute steht dort das Café Goldstein. Der katholischen Kirche fehlt noch der Turm. Er wurde erst 1928 fertiggestellt.
1899 wurde das Kriegerdenkmal erbaut. Heute steht dort das Café Goldstein. Der katholischen Kirche fehlt noch der Turm. Er wurde erst 1928 fertiggestellt.
Kreismuseum Bitterfeld Lizenz
Auch 1930 stand der Weihnachtsbaum vor dem Rathaus.
Auch 1930 stand der Weihnachtsbaum vor dem Rathaus.
Kreismuseum Bitterfeld Lizenz