Haver & Boecker Haver & Boecker: Weber haben guten Draht zueinander
Raguhn/MZ. - Die Palette ist enorm: Kunden sind solche, die in der Mikroelektronik-Branche arbeiten genauso wie die im Schiffbau. "Wir produzieren für fast jede Branche. Das macht uns krisenfest", ist die Chefin überzeugt. Dennoch fällt auch den Raguhnern kein Auftrag zufällig in den Postkasten. Im Laufe der Jahre haben sie sich in zäher Arbeit ein Kundennetz aufgebaut. Zudem sind die Produkte weltweit gefragt. Mit Gewebe für Airbags haben sie damals den ersten erfolgreichen Schritt getan. "Das war unser Einstieg", stellt Ruth Brückner fest.
3 500 verschiedene Drahtgewebe stellen heute die 17 Mitarbeiter der aus der Raguhner Prestara hervorgegangenen Weberei her, die seit der Wende zum Unternehmen Haver & Boecker (Oelde) gehört. 31 Webstühle rattern in der Produktionshalle im Gewerbegebiet, machen Krach wie schwere Baumaschinen. Hier stöpseln sich die Leute Lärmschützer in die Ohren. Die Verständigung klappt trotzdem ohne Informationsverlust. Kein Wunder, die meisten von ihnen sind schon Mitarbeiter einer der von Prestara betriebenen Drahtwebereien gewesen. Haver & Boecker haben die acht Weber, die dort nach 1990 noch in Lohn und Brot standen, übernommen.
Auch Petra Gebauer, die Frau mit dem strengsten Blick hier in der Halle. 1978 hat sie als Draht-Spulerin bei Prestara angefangen, ist dann Weberin geworden. Jetzt hat sie die Qualität im Blick. Mit der Lupe und einem Speziallineal begutachtet sie das Gewebe. Aller fünf Meter hält sie die silberglänzende Rolle auf dem Leuchttisch an. Prüft, misst, dokumentiert. Manchmal kommt es vor, dass ein Draht reißt.
Auf vier Webstühlen wird gerade Titan verwebt. "Wenn da ein Patzer drin ist...", Ruth Brückner verzieht den Mund, als würden sie Zahnschmerzen plagen. "Da zittern wir selber, wenn wir so 'ne teure Kette drin haben - 30 000 Euro."
Die kleine, forsche Frau, die irgendwie Sympathie und gute Laune verbreitet, geht durch die Halle. Winkt hier, guckt da, ruft etwas in den Krach hinein. Sie kennt sich aus an jedem Arbeitsplatz. Auch die anderen können sich gegenseitig ersetzen, darauf legt sie Wert. Weil auch das eine Stärke eines kleinen Teams ist. Die Chefin, verheiratet, Mutter von vier inzwischen erwachsenen Kindern, weiß: Die Firma läuft, weil alle am selben Draht ziehen. Damals, als die Prestara auseinander fiel und es schien, dass gar nichts mehr geht, hat die Meisterin couragiert die Sache in die Hand genommen. "Die Weberei war keine Rosine", sagt sie nur.
"Ich hatte doch keine Ahnung und,na klar, auch Schiss. Hab an denFachverband geschrieben, bin hinund die haben mir westdeutscheFirmen genannt", blickt sie zurück.
"Dann bin ich nach Oelde." Sie macht große Augen: ",Ach, da haben wir doch gar keine Chance', hab ich gedacht, als ich sah, wie die produzieren. Wir hatten drei Webstühle und eine Bauschlosserei..." Aber gerade jene haben sich für die Raguhner interessiert.
Sie legt einen dicken Hefter auf den Tisch. Dort hat jemand alles dokumentiert - die Arbeit und die Hilfe der Leute aus Oelde, den Umzug in die moderne Halle und die Montage der neuen Maschinen - Investitionen von über fünf Millionen Euro, das gemeinsame Feiern. Ost-West-Konflikt? Den gab es nicht. "Ich denke: Wie man in den Wald rein ruft, so schallt's zurück. Haver & Boecker hat uns immer ganz viel freie Hand gelassen. Und das ist gut, es macht Spaß", sagt sie. Verkaufsleiter Ludger Böhme, Westfale, nickt. Er kennt es nur so.