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Gras über "Freiheit III" Gras über "Freiheit III": Nach über 20 Jahren ist Sanierung der Deponie bei Bitterfeld abgeschlossen

Von Tilo Krippendorf 06.11.2019, 06:00
Der begrünte Teil ist die abgedeckte Deponie inmitten des ehemaligen Tagebaus. Links im Hintergrund ist die Roitzscher Grube zu sehen.
Der begrünte Teil ist die abgedeckte Deponie inmitten des ehemaligen Tagebaus. Links im Hintergrund ist die Roitzscher Grube zu sehen. André Kehrer

Sandersdorf-Brehna - Sie war der größte Müllhaufen des Chemiekombinates Bitterfeld. Was auf der Deponie „Freiheit III“ landete, waren die Überbleibsel der rund 4.500 Produkte aus den Fabriken. Schutt, Schrott, Chemikalien. Meist waren die Substanzen schädlich für Umwelt oder Gesundheit, oft waren sie hochgiftig. In der Braunkohle- und Chemieregion war die „Freiheit III“ neben dem „Silbersee“ das bekannteste Beispiel für die Umweltsünden des vergangenen Jahrhunderts.

Beides waren alte Kohlegruben. In der Grube Auguste wurde seit 1839 Braunkohle aus dem Untergrund geholt. 1948 wurde der Tagebau in „Freiheit III“ umbenannt. Acht Jahre später wurde angefangen, dort Abfälle aus der Chemieindustrie abzulagern.

Nach dem Zusammenbruch der DDR stellte sich die Frage: Was tun mit der verseuchten Halde? Lange dauerte es, bis es darauf eine Antwort gab. Und nun ist es soweit - die Sanierung der Freiheit III ist nach über 20 Jahren abgeschlossen.

Verantwortlich für das Langzeitprojekt ist die Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft

Verantwortlich für das Langzeitprojekt ist die Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft (MDSE). Für die Altlasten ist dort Bereichsleiter Ronald Basmer verantwortlich. Bei einem Besuch vor Ort ordnet er die Geschichte der Deponie ein und erklärt, warum es so lange dauerte, bis die heutige Lösung gefunden wurde. „Für die Betreiber in der DDR war die Freiheit III die langfristige Entsorgungsmöglichkeit des Chemiekombinats“, erklärt Basmer. Wenn die Wende nicht gekommen wäre, hätte man das komplette 96 Hektar große Gelände verfüllt. Für die Chemie hätte das Entsorgungssicherheit bis ins Jahr 2050 oder sogar 2080 bedeutet. „Irgendwo musste man ja mit den Stoffen hin“, sagt Basmer.

Natürlich sei auch den Verantwortlichen und den Ingenieuren des Chemiekombinates bewusst gewesen, dass Chemikalien in den Boden und ins Grundwasser gelangen konnten. Wegen des Kohleabbaus wurde das Grundwasser mit Brunnen abgesenkt. Diese Wasserhaltung sei auch zu Deponiezeiten in der DDR Pflicht gewesen, so Basmer.

1998 gab es einen ersten Plan für eine Sanierung der Deponie

Dann kam die Wende und mit ihr sei vieles in Frage gestellt worden. „Das Chemiekombinat wurde in weiten Teilen abgerissen und die Deponie weiter bedient.“ Der Schutt der Fabriken landete ebenfalls in der „Freiheit III“. Etwa sechs Millionen Tonnen Abfälle sind im Laufe der Jahrzehnte abgeladen worden. Was genau das alles war, weiß keiner. Nach MDSE-Schätzungen bestehen etwa zehn Prozent der Halde aus hochtoxischen Stoffen.

1998 gab es einen ersten Plan für eine Sanierung. Demnach sollte die komplette Deponie auf eine nach unten doppelt abgedichtete Fläche umgelagert werden. Damit hätte man die Brunnen abstellen können - das Grundwasser wäre um mehrere Meter gestiegen. „Man hat festgestellt, dass das Auswirkungen auf die Standsicherheit der Böschung an der Roitzscher Grube und damit die B100 gehabt hätte“, erklärt Basmer. Die Grube auf der anderen Seite der Bundesstraße hätte deshalb zur Hälfte verfüllt werden müssen. Man entschied: zu aufwendig, zu teuer.

15 bis 20 Millionen Euro seien insgesamt in die Sanierung der Deponie investiert worden

Deshalb plante man nach der Jahrtausendwende neu. Der neue Plan war im Prinzip der alte: Es wird weiter abgepumpt, so dass der Fuß der Halde nicht vom Grundwasser durchströmt wird. Mindestens 100 Jahre soll das nun so geschehen. „Je nachdem wie unsere Nachkommen die Situation einschätzen“, sagt Basmer. 13 Tiefbrunnen an der Südwestflanke der Deponie wurden gebohrt, sie legen die Halde trocken. Damit kein Regenwasser durch die Deponie ins Grundwasser sickert, wurde noch eine so genannte Wasserhaushaltsschicht aufgebracht. Die ist eineinhalb Meter dick und wirkt wie ein Schwamm, aus dem der Niederschlag wieder verdunsten kann. Dort wächst nun Gras.

15 bis 20 Millionen Euro seien insgesamt in die Sanierung der Deponie investiert worden, sagt Basmer. Dafür fallen hohe Betriebskosten an - etwa 850.000 Euro pro Jahr. Geplant war, den begrünten Hügel inmitten des alten Tagebaus mit Sträuchern zu bepflanzen - so könnte der Verdunstungseffekt verstärkt werden. Doch die Trockenheit des Sommers machte den Sanierern einen Strich durch die Rechnung. Die Büsche wären eingegangen. Nun steht die unmittelbare Stilllegung der Deponie bevor. Dann muss nur noch regelmäßig das Gras gemäht werden, das darüber wächst. (mz)

Das Grundwasser wird von der Deponie weggeleitet.
Das Grundwasser wird von der Deponie weggeleitet.
Tilo Krippendorf
Ein Standbild des illegal aufgenommenen Dokumentarfilms „Bitteres aus Bitterfeld“ zeigt die „Freiheit III“ im Jahr 1988.
Ein Standbild des illegal aufgenommenen Dokumentarfilms „Bitteres aus Bitterfeld“ zeigt die „Freiheit III“ im Jahr 1988.
Rainer Hellfritzsch