Goitzsche Goitzsche: Hochzeit fällt ins Wasser

Friedersdorf/MZ - Antje Mathias schaut etwas betrübt über die Goitzsche. Vom Ufer in der Nähe des Pegelturms hat die 30-Jährige direkten Blickkontakt zur MS „Reudnitz“. Auf jenes Schiff also, mit dem sie am Montag in den Hafen der Ehe einlaufen wollte. Für 15 Uhr war die Trauung an Bord des historischen Motorseglers geplant. Nach der halbstündigen Zeremonie hätte die Braut dann nicht nur den Ehering, sondern auch den Nachnamen ihres Verlobten Michael Adler (32) tragen sollen. Doch Antje Mathias wird für die kommenden Wochen ihren Mädchennamen zunächst behalten. Denn wegen der Flutfolgen ist der See noch immer gesperrt. Ihre Hochzeit auf der Goitzsche fällt vorerst ins Wasser.
Dabei war alles von langer Hand eingefädelt. Über einen gemeinsamen Bekannten hatten sich die ehemaligen Maschinenbaustudenten in Riesa kennengelernt. „Es war Liebe auf den zweiten Blick“, sagt Antje Mathias schmunzelnd. Doch nach einigen Anlaufversuchen kommen die Friedersdorferin und der Leipziger 2007 fest zusammen. 2008 ziehen sie gemeinsam nach Holzweißig, 2010 erblickt Sohn Paul das Licht der Welt.
„Erst Haus, dann Kind und zum Schluss die Heirat - das ist aber die falsche Reihefolge“, soll der Vater von Antje Mathias einmal angemerkt haben. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, den der Schwiegersohn in spe natürlich versteht. Daher sagt er im Spaß: „Gut, du legst den Hochzeitstag fest und ich das Jahr.“
Damit ist der 1. Juli 2013 gesetzt. Da man aber für den schönsten Moment im Leben zweier Menschen neben Brautkleid, Anzug und den Ehenringen auch noch einen passenden Ort braucht, beginnen die Hochzeitsvorbereitungen bereits Anfang des Jahres. „Ein Standesamt kam für uns nie in Frage“, sagt Michael Adler. Also habe man sich umgesehen. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Daher sei schnell klar gewesen, dass die Trauung auf der Goitzsche stattfinden wird. „Für die MS Reudnitz haben wir uns entschieden, weil für uns hier einfach das gesamte Ambiente passt“, sagt Antje Mathias und fügt augenzwinkernd hinzu: „Der Kapitän hat Michael beim ersten Besuch auch den Maschinenraum gezeigt. Spätestens dann war alles klar.“
Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Anfang Juni die Flut kam. „Ich habe ständig die Pegelstände im Auge behalten. Dennoch haben wir bis zum Schluss nicht daran glauben wollen, dass das unseren Hochzeitstermin gefährden könnte“, sagt Michael Adler. Telefonisch habe man die ganze Zeit mit der MS Reudnitz und der Standesbeamtin in Kontakt gestanden. „Sie wäre sogar in ein Boot gestiegen und mit uns auf das Schiff gefahren“, sagt Antje Mathias. „Doch da die Goitzsche immer noch gesperrt ist, haben wir am Mittwoch die Reißleine gezogen und den Gästen abgesagt.“
Zwar habe man kurz überlegt, woanders zu heiraten. Doch schnell war klar: „Nein, wir halten an der Trauung auf der Goitzsche und dem Schiff fest.“ Schließlich habe man viel Kraft und Zeit investiert, um einen unvergesslichen Tag auf dem See zu erleben. „Diesen Traum wollen wir uns von einem Hochwasser nicht nehmen lassen. Zudem brauchen die Schiffseigentümer jetzt jede Unterstützung.“ Mit dem Ja zur Ehe und dem Ja zur MS Reudnitz steht das Paar gleich doppelt zu seinem Wort.
Ingo Otto, der als gestandener Goitzsche-Kapitän gilt, ist vom Rückhalt seiner Gäste „schlichtweg überwältigt und sprachlos“. „Es ist ja nicht üblich, dass man seine eigene Hochzeit verschiebt.“ 25 Tage hat er nun wegen der Sperrung der Goitzsche auf dem See gelegen und - trotz voller Auftragsbücher im Juni - keinerlei Einnahmen gehabt. Am Sonnabend hat die MS Reudnitz zusammen mit der MS Vineta wieder an Land angelegt. „Wir müssen trotzdem weiter warten und hoffen. Aber sobald die Freigabe erfolgt, starten wir mit Volldampf in die Saison.“
Und so ist Skipper Ingo Otto guter Dinge, dass am 9. August - dem neuen Hochzeitstermin - Antje und Michael den Bund fürs Lebens auf der Goitzsche schließen und doch noch in den Hafen der Ehe einlaufen. Bleibt nur noch die Frage: Wie wird sich Bräutigam Adler den neuen Hochzeitstag merken? Schließlich sagt man Männern nach, dass sie dieses Datum nach Jahrzehnten gern mal vergessen. „Ja, der 1. Juli wäre da schon perfekt gewesen“, meint er. „Aber nun heirate ich einen Tag vor meinem Geburtstag. Doch auch wegen der turbulenten Umstände werden wir unsere Hochzeit nie vergessen.“
