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Bericht vom Scheitern Firmenpleite in Bitterfeld: Roland Watzke erzählt vom Scheitern

Von Christine Färber 23.08.2016, 12:40
Buchautor Roland Watzke auf der Muldebrücke in Dessau.
Buchautor Roland Watzke auf der Muldebrücke in Dessau. Thomas Ruttke

Bitterfeld - Roland Watzke ist Wissenschaftler. Und er ist Dichter. Zwei Seelen in einer Brust? Watzke lacht. Die eine hält sich strikt an die Realität. Die andere sucht sich die schöne Welt der Vorstellung.

Und: Ja, das geht zusammen bei dem Mann aus Dessau, der in der Region als einstiger Produktionsdirektor der Filmfabrik Wolfen und späterer Geschäftsführer der Amykor GmbH in Bitterfeld kein Unbekannter ist. Doch wer weiß schon, dass gerade dieser Mann, Doktor der Chemie, diese sensible, auch verletzliche Seite zeigt?

Die Suche nach dem beruflichen Erfolg

„Nur langsam jene Schatten weichen ...“ heißt sein erster Gedichtband (2008). Darin befasst sich Watzke mit Themen, die ihm selbst am nächsten sind: die Suche nach dem beruflichen Erfolg, die Freude am Erfinden, der Kampf um die Firma, die zerbrochene Liebe - Nachdenken über das, was war und das, was sein könnte. Und sein soll. Den Blick hinter das Offenkundige lenken, aushalten, was weh tut.

Schon als Jugendlicher, erzählt er, hat er Gedichte geschrieben. Nicht nach dem Motto „Reim dich oder ich fress’ dich“ sondern solche, die munter in freiem Rhythmus schwingen.

Doch erst 2007 hat er sich wieder auf die Poesie besonnen. Als sein privates Leben in Scherben lag. „Nach der Scheidung“, sagt er. „Mit Lyrik habe ich versucht, das Problem aufzuarbeiten.“ Kritiker übrigens sind die Familie, Freunde, Studienkollegen. Der kleine Lyrik-Band ist 2008 auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt worden. „Und er hat Anklang gefunden. Das hat mich ermutigt, weiter Gedichte zu schreiben.“

„Zeitreise“: Weil das Neue ohne das Alte nicht denkbar ist

Derzeit zum Beispiel beschäftigt ihn das gewaltige Thema „Zeitreise“. Das findet er ungeheuer spannend. Weil das Neue ohne das Alte nicht denkbar ist. Und weil bewahrt werden muss, was wichtig ist. Aber auch, weil Probleme sich aus vielen Blickwinkeln und von vielen Zeitebenen her betrachten lassen.

Ein Buch vom Scheitern

Jetzt hat Roland Watzke ein Buch vorgelegt, das abweicht: Einen Erfahrungsbericht nennt er „Die Begrünung des Mondes und andere Ungereimtheiten“. Der Titel bezieht sich auf die Innovation der von ihm gegründeten Firma.

Deren Wissenschaftler beschäftigten sich - grob gesagt - mit der Entwicklung von Methoden, die helfen, Pflanzen dort anzusiedeln, wo sie normalerweise nicht wachsen oder nur ganz mühsam, die devastierte Flächen wieder zu blühenden Landschaften machen können.

Diese Firma ist gescheitert. Nicht, weil die Ideen nicht umsetzbar waren, sondern weil die Firma falschen Leuten und ihren Zusagen vertraute. Watzke schildert die Dinge aus seiner Sicht - das liegt in der Natur der Sache. Allerdings: „Die dargestellten Sachverhalte sind belegbar.“

Wie viele innovative Projekte und Ideen sind schon in den klugen Köpfen einiger Menschen entstanden? Und wie viele davon sind gescheitert? Und warum? Diese Fragen wirft Watzke auf.

Er und seine über 20 Mitarbeiter haben erlebt, was sinnloses Warten auf zugesagte Kredite bedeutet. Wie aus Euphorie Enttäuschung wird. Wie eine tolle Idee auf ihr Ende zusteuert. Und wie daraus menschliche Tragödien werden.

Von der eigenen Firma zu Hartz IV

Als „eine persönliche Chronik der Machtlosigkeit“ charakterisiert er, der durch das Scheitern der Firma alles verloren hat und Hartz IV bezieht, das. Roland Watzke beschreibt, was er erlebt hat. „Wir sind kein Einzelfall“, sagt er.

„Das ist ein gesellschaftliches Problem, wie man mit Innovationen umgeht.“ Erfinder sind zu hegen und zu pflegen, ist die Überzeugung des erfahrenen einstigen Geschäftsführers. „Das ist ja vielleicht doch ein Stück Zukunft.

Ich möchte all den Politikern zurufen: Überlasst es nicht Banken und Betriebswirtschaftlern - das geht schief.“ Watzke hat Visionen. Denn immer noch brennt er fürs Forschen und Erfinden.

Dieser Erfahrungsbericht wird sicher ein begrenztes Publikum erreichen. Aber wer ihn liest, wird es mit Interesse und Hingabe tun. Denn was Watzke beschreibt, ist so spannend, dass man glatt einen Krimi liegenlässt. (mz)

Roland Watzke wurde 1955 in Dessau geboren, wo er auch heute noch lebt. Nach dem Chemiestudium in Russland war er von 1978 bis 1993 in der Filmfabrik Wolfen in verschiedenen Funktionen tätig, nach der Wende unter anderem als stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

Von 1993 bis 2011 war er geschäftsführender Gesellschafter der Biotechnologie-Firma Amykor GmbH. Heute lebt Roland Watzke von Hartz IV. Das Schreiben ist für ihn so etwas wie ein Lebenselixier.

Der Gedichtband „Nur langsam jene Schatten weichen“ hat die ISBN-Nummer: 978-3-8280-2651-3, der Erfahrungsbericht „Die Begrünung des Mondes und andere Ungereimtheiten“ die Nummer 978-3-940281-95-1.