Erntezeit Erntezeit: Prussendorf im Apfelrausch
Prussendorf/MZ. - Die Apfelernte läuft in Prussendorf auf vollen Touren. Seit Anfang September sind auf der neun Hektar großen Plantage von Wolfgang Ulrich jeden Tag von morgens bis abends alle Hände voll im Einsatz, um die reifen Äpfel zu pflücken. Wie Trauben hängen die Vitaminspender an einigen Bäumen, so dass kaum noch die Blätter zu sehen sind. Eine Leiter zum Ernten, wie man es aus früheren Zeiten kennt, ist kaum noch notwendig. "Die Bäume sind jetzt zwar kleiner, aber viel ertragreicher," erklärt der Chef, der sich als gelernter Obstbauer alle Gehölze selber zieht. "Außerdem tragen die Bäume bereits nach zwei Jahren", setzt er seinen Gedankengang fort.
Es ist die achte Ernte, die der gebürtige Querfurter als Inhaber vom "Obsthof Ulrich" gegenwärtig einfährt. Und es ist die einzige Apfelplantage weit und breit. Einst gehörte ein Teil seines Grund und Bodens zum VEG Obstproduktion Tornau. 1970 begann er dort seine Tätigkeit als Abteilungsleiter, lernte seine Frau Ursula kennen, heiratete, wurde sesshaft und drei Mädchen erblickten das Licht der Welt. Dann kam die Wende, und das Gut wurde von einem Tag auf den anderen "abgewickelt". Sich auf die eigenen Füße zu stellen, war für Ulrich die einzig logische Schlussfolgerung in seinem Beruf. "Schließlich hatte ich eine Familie zu versorgen", sagt der 54-Jährige, dem die Ausbildung seiner Kinder sehr am Herzen lag.
Mit einer aus heutiger Sicht viel zu großen Fläche von 21 Hektar stürzte er sich in die Arbeit - allein. "Das erste Jahr brachte noch gar keinen Ertrag", erzählt der Obstbauer. "Denn da wurden erst einmal alle Bäume gerodet. Vor allem deshalb, weil die bisherigen Sorten wie beispielsweise Gloster, Melrose, Goldspur nicht mehr gefragt waren." Aktuell sind heute Jonagold, Jonagoredt, Rubinette. "Neu dazu gekommen ist auch die Sorte Pinova. Es ist eine Kreuzung von Clivia und Golden Delicious", erläutert der Fachmann. "Gezüchtet wurde sie am Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz - schon zu DDR-Zeiten."
Die erste Ernte brachte 500 Tonnen Äpfel, und sie zeigte Ulrich seine eignen Grenzen auf. Er reduzierte die Fläche von 21 auf neun Hektar. "Jetzt ernten wir pro Jahr etwa 250 Tonnen. Das ist eine überschaubare Größe", äußert Ulrich zufrieden.
Weil sein eigenes Obstkühlhaus, das er aus dem DDR-Bestand mit übernommen habe, nicht ausreiche, werde gut die Hälfte der Ernte in einem Kühlhaus in der Nähe von Halle eingelagert. Die kleineren Früchte und beschädigtes Obst werden bei Libehna in Raguhn zu Most verarbeitet. Danach landet es in flüssiger Form - nebst anderen Libehna-Säften - wieder auf dem kleinen Ladentisch der Verkaufseinrichtung, die sich zwischen Zörbig und Halle am Abzweig Prussendorf befindet. Alle Apfelsorten, die auf Ulrichs Obsthof gedeihen, werden hier ebenfalls angeboten - bis auf die Sommermonate fast das gesamte Jahr über.
Noch bis Ende Oktober läuft die Apfelernte. Rund zehn Saisonkräfte werden dafür in jedem Jahr eingestellt. Auch die 17-jährige Tochter Constanze hilft, wann immer sie zu Hause ist. "Sie besucht das Gymnasium in Halle, die Franckeschen Stiftungen", erzählt Wolfgang Ulrich stolz. Außerdem spiele Constanze Geige. Auch die übrige Familie ist von der Muse geküsst. Die mittlere Tochter Anke studiere Musik und gebe bereits Klavierunterricht, die Ehefrau ist Musiklehrerin und die 26-jährige Tochter Karen sei als Kindergärtnerin auch nicht weit weg von der Musik. Und der Chef selbst spielt Posaune. "Das ist einfach gut für die Seele", meint Wolfgang Ulrich. Da könne er am besten den Stress abbauen - vor allem jetzt bei der Ernte. "Selbst dann, wenn ich mal richtig fertig bin, gehe ich zur Probe. Das macht Spaß und entspannt."