Energiegewinnung Energiegewinnung: Das Geschäft mit dem Müll
Bitterfeld/MZ. - Mit viel Fingerspitzengefühl steuert Steffen Schönbrodt auf seiner Krankanzel in fast 20 Metern Höhe den überdimensionierten Greifer im Brennstoffbunker der Kraftwerkes der PD Energy GmbH. Durch das Bewegen zweier Hebel fährt die Metallhand nach unten, öffnet sich und greift bis zu sechs Tonnen der hier lagernden Siedlungs- und Gewerbeabfälle auf einmal. Sie werden anschließend in den Brennstofftrichter befördert und dann bei 1 200 Grad Celsius verbrannt.
"Durch ein ausgeklügeltes Verfahren wird so der Restabfall in Strom, Dampf und Wärme umgewandelt", sagt Kraftwerksleiter Dietmar Rötsch. So seien allein im vergangenen Jahr aus 130 000 Tonnen Restabfällen annähernd 100 000 Megawattstunden Dampf für die Unternehmen im Chemiepark und 30 000 Megawattstunden Wärme für die Hälfte aller mit Fernwärme versorgten Bitterfelder Wohnungen gewonnen worden. Hinzu kommen fast 60 000 Megawattstunden Strom, mit dem rechnerisch 15 000 Vier-Personen-Haushalte ein Jahr lang versorgt werden könnten.
Damit die thermische Restabfallbehandlungsanlage - so die konkrete Bezeichnung - immer ausgelastet ist, werden pro Tag 400 Tonnen Abfall benötigt. Doch aufgrund von langfristig geschlossenen Verträgen können die nicht vor der Haustür eingesammelt werden, sondern rollen auf bis zu 20 Lastkraftwagen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg an.
Das stellt auch für den Geschäftsführer des Bitterfelder Heizkraftwerks, Michael Polk, ein Problem dar. "Je kürzer die Wege, desto ökologischer und ökonomischer ist das Ganze natürlich." Wenn aber beispielsweise die Bitterfelder Abfälle mehr als 100 Kilometer bis zum Müllheizkraftwerk nach Magdeburg-Rothensee gefahren werden, dann treffe dies eben nicht mehr zu, verdeutlicht er.
"Doch es betrifft ja nicht nur uns", erklärt Rötsch. "Wenn man sich vorstellt, dass jährlich 23 Millionen Tonnen Haushalts- und Gewerbeabfälle verbrannt werden und dafür die Transporter kreuz und quer durch die Republik fahren, dann ist das in vielerlei Hinsicht problematisch."
Auch daher beteilige man sich an jeder öffentlichen Ausschreibung in der Region, um irgendwann die vor Ort entstehenden Abfälle auch vor Ort entsorgen zu können. Wann das soweit sei, könne man aber nicht sagen, da jeder Kraftwerksbetreiber individuelle Verträge mit unterschiedlichen Bindungsfristen ausgehandelt habe. Und: Als das Bitterfelder Kraftwerk im Jahr 2009 ans Netz ging, war im Geschäft mit den Müll schon vieles in Sack und Tüten gewesen.
Allerdings habe man im Jahr 2012 die Ausschreibung der Stadt Halle zur Verwertung von etwa 25 000 Tonnen Restabfall pro Jahr gewonnen. "Damit werden knapp 20 Prozent unserer Jahreskapazität abgedeckt", so Rötsch. "Ein großer Vorteil bei der Verwertung regionaler Brennstoffe ist ja, dass wir direkte Wege und weniger Ausstoß von Kohlendioxid haben."
Oder anders ausgedrückt: "Die kurzen Wege innerhalb unserer Region belasten das Klima wesentlich weniger." Auch daher würden es Geschäftsführer Michael Polk und Kraftwerksleiter Dietmar Rösch begrüßen, wenn zukünftige Ausschreibungen dem Motto "global denken, lokal agieren" folgen würden.