Elbaue-Gemüse Elbaue-Gemüse: Arbeitsamt macht mobil für Ernte
Wittenberg/MZ. - Denn die Gemüseernte ist weitgehend Handarbeit: Die Radieschen oder Kräuter werden gleich auf dem Acker gebündelt, in der Halle gewaschen und versandfertig in Kisten gezählt. Parallel dazu muss auf den Feldern der Boden für die Folgefrucht vorbereitet und wieder gedrillt beziehungsweise gepflanzt werden (Porree).
Um das Aufkommen zu schaffen, haben die Mitgliedsbetriebe der Gartenbaugenossenschaft in den letzten Jahren zu den insgesamt 70 deutschen Stammkräften weitere ausländische Arbeitskräfte angeheuert, vorwiegend Polen. Das geht nur mit einer entsprechenden Erlaubnis des Arbeitsamtes.
Deswegen war es im zeitigen Frühjahr zu Miss-Stimmungen zwischen dem Arbeitsamt und der Genossenschaft gekommen. Schinke hatte erfahren, dass das Arbeitsamt beabsichtigte, die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Ausländer zu kürzen und fürchtete, dass die Ernte nicht eingebracht werden kann. Denn geeignete deutsche Kräfte, so der Vorsitzende, seien für diese Arbeit kaum zu finden.
Arbeitsamtschef Reiner Haseloff will das Gegenteil beweisen. Und zwar mit Hilfe eines Projektes, das seit zwei Jahren im Bereich Jessen praktiziert wird und als bundesweites Modell gehandelt wird.
Um den landwirtschaftlichen Fachkräftebedarf "aus eigenen Ressourcen" zu gewinnen, wirbt eine vom Arbeitsamt geförderte Job-Agentur, die von der Wittenberger Strukturförderungsgesellschaft rekrutiert wird, Leute an, testet sie und führt mit ihnen Trainingsmaßnahmen durch. Dabei werden sowohl Grundkenntnisse über die landwirtschaftlichen Produkte vermittelt als auch Fingerfertigkeit oder Bewegungsabläufe geschult.
Mit Erntebeginn richtet das Arbeitsamt einen Fahrdienst ein, der die Leute "zu allen erforderlichen Zeiten" an ihren Einsatzort und auch wieder nach Hause bringt. Außerdem bekommen die Saisonarbeiter, die zum Teil auch aus Sozialhilfeempfängern rekrutiert werden sollen, zu ihrem Lohn einen arbeitstäglichen Zuschuss von 13 Euro.
430 000 Mark hat das Arbeitsamt im vergangenen Jahr für das Projekt ausgegeben. Das sei die Hälfte dessen, was das Amt an Leistungen hätte bezahlen müssen. Durch die halbjährliche Saisonarbeit erwerben die Betroffenen neuen Anspruch auf sechs Monate Arbeitslosengeld.
In Jessen habe sich das Projekt bewährt, so der Arbeitsamtschef. 366 Arbeitnehmer seien dort im vergangenen Jahr aktiviert worden. Einige Unternehmen kämen inzwischen ohne ausländische Kräfte aus. "Ich erwarte auch von der Wittenberger Arbeitgeberseite, dass sie auf diese Fördermodalitäten positiv reagiert und bereit ist, sich die deutschen Arbeitskräfte anzusehen", so Haseloff.
"Wir freuen uns natürlich, wenn das Konzept aufgeht", will Schinke seine Skepsis nicht verhehlen. Grundsätzlich aber stehe er dem Projekt positiv gegenüber. Es könne ja nur gut sein, wenn es künftig gelinge, den Bedarf mit einheimischen Kräften abzudecken, denn die Beschäftigung von Auswärtigen bedeute für die Arbeitgeber auch, für Unterkünfte und weitere soziale Bedingungen zu sorgen.
Schinke bewertet es auch positiv, dass das Arbeitsamt auf die Kritik der Gartenbaugenossenschaft reagiert und signalisiert habe, die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Ausländer noch einmal zu überdenken. "Ich wünschte, wir hätten schon eher Klarheit darüber gehabt." Wie wichtig Planungssicherheit für die Gartenbaubetriebe sei, machte er noch einmal deutlich: "Zwischen dem Kleinverkauf auf dem Markt und dem Großhandel gibt es keinen Absatz mehr." Fliege die Gartenbaugenossenschaft von den Listen der Ketten, könne sie dicht machen. "Und dann ist es für die deutschen Arbeitskräfte auch vorbei."