1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Durchgestartet von null auf hundert

Durchgestartet von null auf hundert

Von CHRISTINE KRÜGER 08.06.2010, 18:21

BITTERFELD/MZ. - Als hier förmlich die Hölle los war, da hat Andreas Kirchberger gerade für sein Abitur gelernt. Natürlich konnte er vor 20 Jahren nicht ahnen, dass er eines Tages als Chef des Investment- und Finanzcenters Bitterfeld der Deutschen Bank in einer kleinen Runde sitzen wird mit Bankerinnen, die der Run auf die D-Mark 1990 nahezu zum Wahnsinn getrieben hat.

Sabine Zeidler, stellvertretende Filialleiterin in Bitterfeld, und Kathrin Tautermann, die den Bereich Geschäftskunden betreut, sitzen entspannt am Tisch. Heute blicken sie darauf zurück, wie alles anfing mit der Deutschen Bank in Bitterfeld. Mit Stolz und auch mit Vergnügen. Denn die Erinnerung bringt Geschichten zutage, die nach all den Jahren plötzlich wieder sehr lebendig sind.

Aus der ehemaligen DDR-Staatsbank sollte die Deutsche Bank werden - ein kalter Start aus der Planwirtschaft direkt in die freie Wirtschaft, von null auf hundert. Ende Januar 1990 gründet die Deutsche Bank insgesamt zehn Vertretungen in verschiedenen ostdeutschen Städten. Auch in Bitterfeld. "Wir hatten absolut tolle Hilfe", sagt Sabine Zeidler. "Erfahrene Banker aus Westdeutschland haben die Patenschaft übernommen. Das lief sehr gut - auch menschlich. Wir mussten viel arbeiten, haben viel lernen müssen. Plötzlich hatten wir es ja mit ganz anderen Produkten und mit einer völlig neuen Technik zu tun. Wir kannten doch nur Sparbuch, Konto, Töchternkonto", meint sie kokett leicht übertreibend und lacht, "jetzt gab es persönliche Kredite, Bausparen, Bonussparen und was sonst noch. Jetzt wussten wir endlich auch, was Wüstenrot aus der Werbung ist. Einen normalen Acht-Stunden-Arbeitstag gab es da nicht." Einige von jenen, die damals zur Unterstützung gekommen waren, sind geblieben, sie wohnen heute noch in der Region. "Erstaunlich viele", sagt Kathrin Tautermann. "Ich glaube, ihnen gefiel auch die Herzlichkeit hier, die viele so nicht kannten."

Nie vergessen werden die Bankerinnen die Tage gleich nach der Maueröffnung. Plötzlich kann jeder in den Westen fahren - mit 15 DM. "Sofort, als das klar war, sind wir nach Halle und haben D-Mark geholt. Das war ein Freitag. Sonnabend und Sonntag haben wir ausgezahlt. Da saßen wir am blauen Ochsen in Bitterfeld. Die Leute standen in der Schlange um unser Haus drum rum", erzählt sie. Vor dem 1. Juli, dem Tag der Währungsunion, läuft hinter den Schaltern alles auf Hochtouren: Konten müssen für jeden eingerichtet werden, die gute alte Lohntüte ist abgeschafft. "Teilweise haben wir im Kino nebenan gesessen und Konten eröffnet", blickt Sabine Zeidler zurück. "Wahnsinn." Kundengespräche, Kreditvergabe - das läuft in der Schalterhalle, weil kein Platz ist für die vielen Kunden. Kathrin Tautermann lacht: "Das war Kollektivberatung nach dem Motto ,Ich will das selbe wie der'. Undenkbar heute."

Das ist das eine, der Kampf mit der neuen Technik ist auch nicht zu unterschätzen. Der gut gehende Stift wird vom Computer abgelöst. Doch das will erstmal gelernt sein. Das Telefonnetz von damals ist aus heutiger Sicht mehr als sehr bescheiden. "Wir wollten ja auch alle lernen und mitmachen, das war eine echte Aufbruchstimmung.

Auch für die Kollegen aus Westdeutschland, das haben sie auch gesagt. Wir haben zusammen gearbeitet und manchmal sind wir alle zusammen noch ein Bier trinken gegangen."

Diese Zeiten kennt der Bitterfelder Deutsche-Bank-Chef Andreas Kirchberger nur aus Erzählungen. Für ihn beginnt 1993 die Lehre als Banker. Da ist alles schon klar. Vor kurzem hat der Leipziger das Investment- und Finanzcenter in der Bismarckstraße übernommen. 14 000 Geschäfts- und Privatkunden werden hier betreut. Um sie kümmern sich sieben Mitarbeiter und drei selbständige Finanzberater. Das Geschäftsvolumen der Bank liegt bei 146 Millionen Euro.

Am schwierigsten, sagen Sabine Zeidler und Kathrin Tautermann beim Blick auf die Zeit vor 20 Jahren, ist es gewesen, "von heute auf morgen als kompetenter Partner da zu sein". "Ich hatte die Existenzgründerfinanzierung. Ja, welche Chancen hat der Gründer, welches Risiko geht man ein?

In der DDR gab es Pläne, jetzt gab es den freien Markt", sagt Kathrin Tautermann. "Das war learning by doing, man ist reingewachsen." Auch die Kunden. Die meisten von damals halten der Bank heute noch die Treue. "Sie sind anspruchsvoller. Das ist klar - sie bereiten sich vor, befassen sich mit der Materie. Und wir können sie mit unserer Beratung auf ein ganz anderes Niveau bringen. Der Kunde ist heute ein Partner", stellt Sabine Zeidler fest.