Bürgerinitiative "Zukunft Thalheim" startet Umfrage Bürgerinitiative "Zukunft Thalheim" startet Umfrage: Abschied von Bitterfeld-Wolfen?
Thalheim - Die Ehe zwischen Thalheim und der großen Stadt ist zerrüttet. Dieses Bild zeichnete zumindest eine ins Leben gerufene Bürgerinitiative namens „Zukunft Thalheim“ auf einer Informationsveranstaltung am Montagabend. Unter der Federführung mehrerer Ortschaftsräte und Einwohner - darunter Ortsbürgermeister Manfred Kressin (CDU) - wird nun nach lang anhaltender Ehekrise eine endgültige Scheidung durch eine Bürgerumfrage forciert.
Nach Aussagen des Landesverwaltungsamtes wäre Thalheim der erste Ort in Sachsen-Anhalt, der aus einer bestehenden Gebietskörperschaft austritt. Grundsätzlich sei die „Änderung der Gemeindegrenzen“ nach dem Kommunalverfassungsgesetz möglich. Aus Gründen des Gemeinwohls könnten Gemeinden oder Landkreise aufgelöst, in ihren Grenzen geändert oder neu gebildet und Gebietsteile von Gemeinden oder Landkreisen umgegliedert werden, wenn die neue Gebietskörperschaft 1.000 Einwohner hat.
Auf Listen können sich die Thalheimer innerhalb der nächsten Monate eintragen und zwischen „Ja“ und „Nein“ wählen. Entscheidet man sich dafür, dann soll die „nicht eingehaltene Gebietsänderungsvereinbarung gekündigt“, „Thalheim herausgelöst“ und einer „anderen Stadt“ angeschlossen werden. Entscheidet man sich dagegen, dann soll nichts unternommen werden. „Wir wollen ein Gefühl dafür bekommen, ob das Anliegen eine breite Unterstützung findet“, sagt Mitinitiator Erwin Stammer.
Ausgeglichener Haushalt ist nicht in Sicht
Die erhält man bereits jetzt vom Kreistags-, Stadtrats- und Ortschaftsratsmitglied Daniel Roi (AfD). Er spricht unter anderem die Investitionen in Thalheim an. Habe die eigenständige Gemeinde über zweistellige Millionenbeträge verfügen können, so steht der heutigen Ortschaft in diesem Jahr eine Investitionssumme in Höhe von 1.000 Euro zur Verfügung. Und: „Ein ausgeglichener Haushalt für die große Stadt ist nicht in Sicht.“
Stellt sich dennoch die Frage: Was geschieht, wenn sich eine Mehrheit für einen Austritt entscheidet? „Jede Ehe kann geschieden werden“, sagt Kressin kurz und bündig. Entsprechende Scheidungsunterlagen würden - wenn von den Thalheimern gewollt - dann bei der Stadt und dem Landkreis eingereicht. Man habe in einem Gespräch mit einem spezialisierten Rechtsanwalt in Erfahrung gebracht, dass das möglich sei, sagt Stammer und zitiert einen Paragrafen eines Gesetzes, das Verwaltungsverfahren regelt.
Demnach könne die Gebietsänderungsvereinbarung „einseitig“ gekündigt werden, wenn sich die Verhältnisse seit Vertragsabschluss „wesentlich geändert haben“ oder „um schwere Nachteile für das Gemeinwohl“ zu vermeiden. Eine Stellungnahme der Stadt Bitterfeld-Wolfen zu den klaren Trennungsabsichten war gestern nicht zu bekommen.
Thalheim bleibt nicht alleine
Sollte dieser steinige Weg erfolgreich bis zum Ende beschritten werden, ist dennoch klar: Thalheim bleibt nicht Single. Das ist für einen 1.400-Einwohner-Ort laut Gesetz unmöglich (siehe „Präzedenzfall“). Das betont auch die frühere Gemeinde- und Ortschaftsrätin Antje Wolf (CDU): „Man muss klar sagen: Die Gemeinde Thalheim wird nie mehr eigenständig sein.“ Vorstellbar - so deuten es andere Mitglieder der Bürgerinitiative an - wäre ein Beitritt zur benachbarten Stadt Sandersdorf-Brehna. „Uns verbindet viel“, unterstreicht Stammer und nennt unter anderem die Zusammenarbeit der Vereine.
Alles ist vorstellbar
Sandersdorf-Brehnas Bürgermeister Andy Grabner (CDU) zeigt sich indes gelassen. „Vorstellbar ist zunächst einmal alles“, sagt er auf MZ-Nachfrage. Allerdings gebe es bislang keinen offiziellen Heiratsantrag. Während Grabner also der Dinge harrt, die eventuell kommen, stellt Kressin mit den Thalheimer Gewerbegebieten schon mal die Mitgift in Aussicht.
Das geht dem Thalheimer Uwe Bruchmüller auf der Bürgerversammlung alles viel zu weit. Er ergreift deshalb als einer der wenigen das Wort: „Das ist eine Entweder-oder-Entscheidung. Aber ich bin weder für den Austritt noch dafür, dass alles so bleibt.“ Zudem will er wissen, was aus den gemeinsamen Schulden wird, die Bitterfeld-Wolfen angehäuft hat. „Durch eine Scheidung wird man nicht auf einen Schlag schuldenfrei“, gibt er zu bedenken und meint: „Vor einer Entscheidung müssen all diese Fakten auf den Tisch.“ (mz)