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Bitterfeld Bitterfeld: Die Wurzeln liegen im Jahre 1919

Von IRIS LADEMANN 26.04.2011, 17:31

BITTERFELD/MZ. - So lebt der Langsame Walzer von weit schwingenden Ballkleidern und Herren im Frack und der Quickstep, Slowfox oder Paso Doble oder Cha-Cha von einem flotten und phantasievollen Outfit der Teilnehmer.

Dass Tanzen in Bitterfeld eng verbunden ist mit Leipzig, erzählt der jetzt in Leipzig wohnende promovierte Horst Galle. Und das nicht nur in tanzsportlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf den Tanzschulbereich, meint er. "In den Tanzschulen, die wieder gefragt sind, wurden und werden noch immer die Grundlagen gelegt für ein geselliges Tanzen", ist er sich sicher.

Denn in der Vergangenheit waren es gerade die Tanzschulen, die die jungen Leute beflügelten, tänzerisch mehr können zu wollen als der Durchschnitt. Und das führte wiederum dazu, dass sie im Turniertanz die Erfüllung sahen. Als Beispiel nannte Horst Galle das Ehepaar Dieter und Christel Bauerschäfer, das einst in der Tanzschule von Erika Pannier-Seifert ihre ersten Schritt lernte, für Bitterfeld ihre ersten Turniere tanzte und später von ihr den Weg nach Leipzig zum Tanzkreis ihres Bruders Helmut gewiesen bekam. "Heute wissen nur noch wenige, wie eng die tänzerischen Beziehungen zwischen Bitterfeld und Leipzig waren", vermutet Galle.

Doch diese erlebten eine Neuauflage mit den Bernstein-Tanzturnieren, die fünfzehn Mal von Leipzigern organisiert und tanzsportlich ausgerichtet worden sind. Denn 1995 wurde der Wahlleipziger und Landestanzsportwart Horst Galle - viele Jahre ebenfalls aktiver Tänzer - angesprochen, ein Turnier für den Bitterfelder Raum zu organisieren. "Ich nahm sofort meinen Freund Dieter Bauerschäfter, der in Bitterfeld wohnt, mit ins Boot", erinnert Galle an die Anfänge der Bernsteintanzturniere.

Die haben sich inzwischen wieder zu einer festen Größe im Veranstaltungskalender des Bitterfelder Raums entwickelt. Und mit Unterstützung des Initiativkreises Bitterfeld-Wolfen kam der Tanzsport auf diese Weise endlich wieder in die Region.

Die historischen Wurzeln der Beziehungen zwischen Bitterfeld und Leipzig auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Turniertanzes liegen im Jahre 1919. In jenem Jahr wurde in Leipzig von Liesbeth Seifert eine Tanzschule angemeldet, in der sie seitdem mit ihrem Mann Robert unterrichtete. "Sie führten den Unterricht auch über die Grenzen von Leipzig hinaus durch - in Bitterfeld, Delitzsch und der näheren Umgebung", weiß der heute 73-jährige Horst Galle aus eigener Recherche.

Und er erzählt weiter, dass drei ihrer fünf Kinder in die Fußstapfen der Eltern getreten sind. Und so habe Robert Seifert seine Tanzschule in Leipzig 1948 seinem Sohn Helmut übergeben und sei mit seiner Tochter Erika, verehelichte Pannier, nach Bitterfeld zurückgezogen. "Die Bitterfelder Tanzschule wird heute in dritter Generation von Kristina Pannier, die Leipziger Tanzschule, ebenfalls in dritter Generation, von Bodo Seifert, geführt." Und Horst Galle führt weiter aus, dass die Entwicklung des Turniertanzes eng verbunden war mit den Tanzschulen. "Die heutigen Tanzsportvereine oder Tanzsportklubs waren damals als Tanzkreise Einrichtungen von Tanzschulen", erklärt Galle. So habe Robert Seifert sen. schon 1947 die Tankreise Grün-Gold Delitzsch, Grün-Gold Leipzig und Grün-Gold Bitterfeld gegründet.

Alle drei Tanzkreise arbeiteten sehr eng zusammen, veranstalteten zum Teil sogar gemeinsam Turniere und bis Ende 1950 auch gemeinsame Tanzkreismeisterschaften. Heute gibt es nur noch Grün-Gold Leipzig. Delitzsch und Bitterfeld hatten sich in den 60er Jahren aufgelöst, so Galle.

Doch bis dahin fanden in Bitterfeld regelmäßig Turniere statt - meist im Saal des später abgebrannten "Hotel Döring", heute "Hotel Central". So wird in einem Rundschreiben des Turniertanzausschusses für den Gesellschaftstanz in der DDR 1957 als Spitzenpaar der A-Klasse das Ehepaar Kaufmann aus Bitterfeld angeführt. Und im Jahr darauf werden Eberhard Kaufmann als Vorsitzender genannt, Erika Pannier als Turnierwart und Robert Seifert als Kassenwart. Außerdem werden Erika Pannier und Robert Seifert als Trainer aufgeführt.

Paare aus Bitterfeld, unterstreicht Galle, wurden schon aus Gründen verwandtschaftlicher Beziehungen der Tanzschulinhaber zum Training beim Leipziger Grün-Gold vermittelt - wie auch das spätere DDR-Meisterpaar Bauerschäfer. Leipzig wurde geleitet von Helmut Seifert und seiner Frau Christa, eine vor allem im Ausdruckstanz ausgebildete Ballett-Tänzerin, die sich sehr schnell zur führenden Tanzsporttrainerin der DDR entwickelte und mehrfache DDR-Meister hervorgebracht habe.

Seit den 60er Jahren sei Bitterfeld ein tanzsportliches Brachland gewesen - bis zu jenem Tag im Jahr 1995, als Horst Galle gefragt wurde, ob er helfen wolle, den Tanzsport in den Bitterfelder Raum zurückzubringen. Zu wünschen wäre, dass in Bitterfeld bald wieder ein eigenständiger Tanzsportklub gegründet wird, hofft Galle. "Und Dieter Bauerschäfer", kommt Galle nochmals auf das Wirken seines langjährigen Freundes zu sprechen, "ist heute Sportwart von Grün-Gold Leipzig." Außerdem sei Bauerschäfer längst ein Urgestein des mitteldeutschen Tanzsports.

Seine Tanzsportkarriere habe er Mitte der 50er Jahre bei Grün-Gold Bitterfeld begonnen. Und noch heute sei er ein gefragter Wertungsrichter - wozu auch die Bernsteinturniere gehörten - mit großen, auch internationalen Erfahrungen. Aus Altersgründen haben beide zwar die Organisation der Bernsteinturniere abgegeben, doch nicht den Tanzsport an sich.