1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Bergbau-Sanierung: Bergbau-Sanierung: Trockenlegung in Zscherndorf fast beendet

Bergbau-Sanierung Bergbau-Sanierung: Trockenlegung in Zscherndorf fast beendet

Von christine färber 10.06.2015, 10:20
Uwe Reuschel hat in seinem Vorgarten eine Grundwasserpegelkontrollstelle. Der Keller seines Hauses wurde verfüllt.
Uwe Reuschel hat in seinem Vorgarten eine Grundwasserpegelkontrollstelle. Der Keller seines Hauses wurde verfüllt. thomas ruttke Lizenz

Zscherndorf - Die wohl teuerste und größte Schlacht im Kampf gegen das aufsteigende Grundwasser hat die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV) geschlagen. Von 84 betroffenen Häusern und Grundstücken, die in der Zscherndorfer Siedlung - einem Kippengebiet - unter Wasser standen, sind bis auf vier alle trockengelegt.

Teures & komplexes Projekt

Ein Projekt, mit dem 2012 begonnen wurde und das weit in die Millionen geht - allein acht Millionen wurden schon gebraucht, um Hausfundamente mit Wannen gegen das Wasser zu schützen, um Drainagen zu bauen und Pumpsysteme zu installieren, um die Leitungen an die Vorfluter anzuschließen. Vorhergehende Planungen und das komplette Monitoring sind in dieser Summe noch gar nicht drin. „Zscherndorf ist - von dem Stadtsicherungskonzept für Bitterfeld mal abgesehen - das komplexeste Projekt in Sachsen-Anhalt“, sagt Elke Kreische-König, die bei der LMBV die Abteilung Planung Sachsen-Anhalt leitet. „Das ist wirklich eins der am schwersten betroffenen Gebiete.“

Als die Pumpen der Tagebaue abgestellt wurden, die das Grundwasser bis zu 50 Meter abgesenkt hatten, und die Chemie ihren Wasserbedarf deutlich reduzierte, begann das Grundwasser im einstigen Bergbau- und Industriegebiet um Bitterfeld anzusteigen - auf das Niveau als die Landschaft noch unberührt war wie vor über 120 Jahren.

1859 begann in der Region um Bitterfeld der Bergbau. Die erste Braunkohle wurde am Pomselberg in Bitterfeld entdeckt. Dann ging es rasend schnell, dass sich mit dem Kohleabbau die Industrie in der Region entwickelte. Und die Erinnerung daran, welche geologischen Verhältnisse früher herrschten, war offenbar nicht mehr präsent.

Schon jetzt ist klar: Geld wird weiter fließen, damit Zscherndorf trockene Füße behält. Denn die Pumpen und Drainagen müssen auf Dauer betrieben werden. Eine nachhaltige Lösung, eine ohne dauernde Kosten, wird es nicht geben.

Individuelle Lösungen gefunden

Das Wasser wird über ein rund 2,5 Kilometer langes Rohrsystem in den Schachtgraben geleitet. 43 Kubikmeter Grundwasser übrigens fördert eine Pumpe in 24 Stunden zutage - 15 300 Kubikmeter im Jahr. An normalen Tagen.

Die Drainage in Zscherndorf ist eine der größten, die die LMBV im mitteldeutschen Raum überhaupt betreibt. „Das alles sind Lasten“, sagt Elke Kreische-König, „die auch unsere Kinder und Kindeskinder tragen müssen.“ Deshalb ist das Konzept wohldurchdacht, für jedes Haus gibt es eine individuelle Variante, die das Ergebnis dauerhaft macht. In einem Fall, sagt die Wasserwirtschafterin, hat das Unternehmen Geld bereitgestellt, damit sich ein Ehepaar ein neues Haus bauen konnte. „Der Baugrund, auf dem das alte Haus stand, war so schlecht, das Gebäude zu sanieren, war teuerer als ein neues zu bauen“, erklärt sie. „Das Ehepaar ist überglücklich.“ Das sind heute wohl alle Betroffenen. Auch Familie Reuschel aus der Melanchthonstraße. In ihrem Haus wurde der Keller verfüllt. „Wir hätten auch eine Innenwanne haben können. Aber wir haben uns so entschieden“, erklärt Uwe Reuschel. „Die Heizung war angegriffen durch das Wasser. Dafür haben wir eine neue gekriegt. Das ist in Ordnung so, eine gute Tat von der LMBV“, meint er.

Doch rundum glücklich waren die Zscherndorfer nicht immer. Die Diskussionen, die dem Riesenprojekt voraus gingen, die waren oftmals haarig. „Ja, den Leuten ging es immer zu langsam“, blickt Frau Kreische-König zurück. „Es war sehr viel zu bedenken und zu planen. Außerdem: Für jedes einzelne Haus ist eine individuelle Sicherungs- und Finanzierungsvariante ausgearbeitet, ein Verkehrswertgutachten aufgestellt worden.“

Nachhaltigkeit ist oberstes Ziel

Eine generelle Entwässerung des Wohngebietes, das in den 30er Jahren auf Kippenboden zirka drei Meter unter der natürlichen Geländeoberfläche errichtet worden war, ist nicht möglich, erklärt die Expertin. Der Bergbau hat die Erdschichten durcheinander gewirbelt - hier Sand, da Ton, dort Lehm. Dennoch: Der Eingriff, den die LMBV vornimmt, muss wirtschaftlich sein und nachhaltig. Das ist Anspruch und Auftrag. Schließlich ist das Geld, das fließt, Geld, das Bund und Land geben. Die Hauseigentümer bezahlen hier nichts. „Es handelt sich um Hinterlassenschaften des Altbergbaus“, so die Expertin.

Allerdings werden nur die Häuser angefasst, „die unter mittleren Grundwasserverhältnissen permanent betroffen sind“. Den Auftrag, sagt sie, haben Bund und Land freiwillig übernommen. „Anderswo wird es nicht so gehandhabt.“ Geregelt ist das für Mitteldeutschland im IV. Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung.

Weitere Baustellen für die LMBV

Mit dem Abschluss dieses Projekts ist die LMBV noch nicht raus. Denn ähnliche Probleme bearbeitet sie derzeit in Brehna, in Gräfenhainichen, in Zschornewitz. Dort prüft der Bergbausanierer jetzt, ob das steigende Grundwasser seine Ursache wie in Zscherndorf und Bitterfeld darin hat, dass der Bergbau eingestellt worden ist. Zscherndorf, sagt sie, ist kein Sorgenkind mehr. „Es war eine Herausforderung. Wir haben viel Herzblut reingesteckt gemeinsam mit den Leuten vor Ort. Wir wissen, es ist ein gutes Projekt, ein nachhaltiges.“ Und: „Was wir in den vergangenen Jahren lernen mussten: Wir können - nachhaltig - nur bedingt die Natur anpassen. Der Mensch muss sich mit ihr arrangieren.“ (mz)