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Badeanstalt Wolfen Badeanstalt Wolfen: Die kleine Oase inmitten der Chemiebetriebe

Von Michael Maul 15.07.2017, 13:55
Das große, 50 Meter lange Becken und auch der nur noch fünf Meter hohe Sprungturm waren Anziehungspunkte für viele Badefreunde aus Wolfen und Umgebung.
Das große, 50 Meter lange Becken und auch der nur noch fünf Meter hohe Sprungturm waren Anziehungspunkte für viele Badefreunde aus Wolfen und Umgebung. Leserfoto

Wolfen - Es sind knapp 23 Jahre ins Land gegangen und nichts erinnert im Wolfener Busch mehr an das einstige Schwimmbad. Dort, wo sich Jahrzehnte lang tausende Menschen in die Fluten gestürzt hatten, versperrt jetzt der dichte Wald die Sicht.

Einziger Anhaltspunkt ist eine riesengroße Eiche, die neben den ehemaligen Umkleidekabinen immer noch steht. „Sie dient mir immer noch als Anhaltspunkt, wenn ich einmal im Wald auf den Spuren des Bades unterwegs bis“, sagt Dieter Krillwitz, der von 1985 bis 1992 als Technischer Leiter für alle Sportstätten des damaligen Chemiekombinates und damit auch für das Bad verantwortlich war.

Er kennt nicht nur das Bad in und auswendig, er kennt auch die Geschichte von der Einweihung im Jahr 1922 an. Nachdem das Bad nach der Wende ab 1991 in kommunaler Bewirtschaftung betrieben wurde, erfolgte 1994 dann der komplette Abriss der gesamten Anlage. Großflächige Verschmutzung und Kontamination wurde damals als Grund für den Rückbau genannt.

Die Badeanstalt Wolfen hatte schon kurz nach der Eröffnung viele Besucher angelockt

Selbst hat der Wolfener das Entstehen nicht erlebt, er kennt die Geschichte aus den Unterlagen des Ortschronisten Wolfried Lindner, kann aber auch viele eigene Erlebnisse berichten. Alte Zeitungsartikel belegen, dass die Badeanstalt damals für die Erholung der Werktätigen gebaut wurde und zunächst nur für die Angehörigen des Chemiebetriebes gedacht war.

Zu den Anfängen erzählt der Wolfener: „Es war im Jahr 1922, als im Wolfener Busch als Wohlfahrtseinrichtungen der Agfa ein Sportplatz, ein Platz für Ball- und Tennisspiel, eine Schwimmanstalt und Schrebergärten entstanden sind.“

Das einzige, was aus dieser Zeit noch besteht, ist die Tennisanlage, den Rest kann man nur noch erahnen, meint Krillwitz. Doch es gibt noch viele Wolfener und ihre Gäste, die sich an die schönen Stunden im Bad erinnern können, auch wenn manchmal eine beißende Qualmwolke vom Nahe gelegenen Werk über die Anlage zog. „Wir haben uns geschüttelt und das wars“, sagt Krillwitz lachend. Überliefert sind Besucherzahlen aus den Jahren 1934 (36.400) und 1938 (64.263), die belegen, dass die Badeanstalt schon kurz nach der Eröffnung sehr gut besucht war.

Zwar habe man zu dieser Zeit nur über ein Becken für Schwimmer und ein Kleineres für Nichtschwimmer verfügt, dennoch aber schon Schwimmmeisterschaften organisiert. Weitere sportliche Aktivitäten waren unter anderem Betriebssportfeste, Meisterschaften und seit 1965 habe sogar die Sportschule Halle die Anlage zu Trainingszwecken genutzt, weiß Krillwitz.

Der letzte große Wettkampf fand 1974 statt

Um das Becken auch nach außen hin als wettkampftauglich vorzuhalten, erfolgte 1928 eine komplette Rekonstruktion des 25 Meter langen Beckens und der Bau einer 50-Meter-Anlage. Somit sei es möglich gewesen, Wettbewerbe mit Meisterschaftscharakter durchzuführen.

Der letzte große Wettkampf hat am 3. und 4. August 1974 stattgefunden, weiß Krillwitz. Damals war es der Länderkampf im Sportschwimmen DDR gegen Italien, der viele Interessierte in die Anlage am Busch zog, geht aus dem umfangreichen Archivmaterial hervor.

Anziehungspunkt war im Bad ein paar Jahre lang der zehn Meter hohe Sprungturm, der allerdings aus sicherheitstechnischen Gründen auf fünf Meter verringert wurde. Begründet hatte man das damals mit einer Verringerung der Tiefe der Sprunggrube um 25 Zentimeter, die für Sprünge aus solchen Höhen nicht mehr ausreichend tief gewesen sei.

Eine weitere Rekonstruktion und Neubauten brachten in den Jahren 1963/64 das Bad auf den neusten Stand, auch um dem immer größeren Zuspruch aus der wachsenden Stadt Wolfen gerecht zu werden. Neben Umbau- und Erweiterungsarbeiten wurde das große Becken mit Meißener Keramikplatten ausgelegt.

Schwimmmeister Fritz Minding war eine Institution in der Badeanstalt Wolfen

Diese Investition kostete damals 600.000 Mark, erzählt der Wolfener. Seit dieser Zeit gab es neben dem großen Schwimmerbecken ein separates Becken für Nichtschwimmer und ein kleineres für Kinder mit einer Rutsche. Umkleidekabinen, eine große Liegewiese und eine Verkaufsstelle ergänzten das Angebot im Wolfener Bad.

Doch Dieter Krillwitz kennt auch noch andere Details aus der Badgeschichte. So sei Schwimmmeister Fritz Minding, der von 1922 bis 1955 den wachen Blick auf die Badenden hatte, eine Institution gewesen.

Immer bekleidet mit einer weißen langen Hose und freiem Oberkörper habe er die Sicherheit gewährleistet und ganzen Generationen von Badefreunden und vor allem Kindern das Schwimmen gelernt. Ebenso wie sein Nachfolger Herr Löttel, der von 1956 bis 1968 Chef des Bades war.

Von 1960 bis 1977 habe sich Löttel die Aufsicht sogar im Zwei-Schicht-System mit Frau Kulik geteilt, weiß der ehemalige Technische Leiter. Die Herren Kettlitz und Gradehans waren dann die letzten Bademeister, bevor die Anlage 1990 geschlossen wurde.

Eine neue Anlage ging wegen der Schließung nie in Betrieb

Auch von einer Investition, die nie zu Ende geführt wurde, kann Krillwitz berichten. „In den vielen Jahren des Betriebes hat es immer wieder Probleme mit der Wasserumwälzanlage gegeben, so dass man sich entschlossen hatte, im hinteren Teil des Bades, angrenzend an die große Liegewiese, eine komplett neue Anlage zu bauen.

In Teilen sei sie schon erbaut gewesen, doch die Anlage sei wegen der Schließung niemals in Betrieb gegangen. (mz)

In dem markanten Gebäude haben schon mehrere Schwimmmeister gewohnt.
In dem markanten Gebäude haben schon mehrere Schwimmmeister gewohnt.
Leserfoto
Ein Plakat aus dem Jahr 1930
Ein Plakat aus dem Jahr 1930
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Auch Wettbewerbe wurden im Wolfener Bad durchgeführt.
Auch Wettbewerbe wurden im Wolfener Bad durchgeführt.
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Zuerst gab es nur ein Becken, das für die Nichtschwimmer abgeteilt war.
Zuerst gab es nur ein Becken, das für die Nichtschwimmer abgeteilt war.
Leserfoto