Bad Schmiedeberg Bad Schmiedeberg: Doktor dringend gesucht
Bad Schmiedeberg/MZ. - Als die junge Frau in der vergangenen Woche einen Eiltermin bei ihrem Hausarzt Günter Range brauchte, lief in dessen Praxis nur der Anrufbeantworter. Es hieß, dass wegen Urlaub geschlossen sei. Auf der Suche nach dem Notdienst landete Frau Hering jedoch wiederum bei ihrem Hausarzt. In ihrer Verzweiflung hat sie sich an einen Mediziner im benachbarten Pretzsch gewandt. Der bot ihr zwar an, sie zu behandeln. Allerdings hätten die Terminpatienten Vorrang. Im Übrigen verwies er auf die Praxisvertretung von Range. "Doch dieser Arzt", weiß Jana Hering, "ist gerade in Rente gegangen." Am Ende ließ sie sich in Wittenberg behandeln. "Aber was machen denn alte Menschen oder die Leute, die kein Auto haben?" fragt sie.
Tatsächlich ist Dr. med. Günter Range derzeit der einzige niedergelassene Hausarzt in der 4 300 Einwohner zählenden Kurstadt. Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, enden meist schon im Vorzimmer. Dort sitzt die Ehefrau des Mediziners, die freundlich, aber konsequent alle Anrufer abblockt, deren Anliegen nicht auf eine medizinische Versorgung abzielt. "Mein Mann ist der Gejagte", sagt sie am Telefon und erklärt, dass er es kaum schaffe, die Hausbesuche abzuarbeiten. Im Übrigen sei die Praxis auch jetzt gerade wieder überfüllt. "Die Leute stehen bis in den Flur", schildert sie glaubhaft die Lage vor Ort und erzählt, dass ein Arbeitstag von zwölf bis 14 Stunden inzwischen die Norm sei.
Unterdessen wird kolportiert, dass auch Range kurz vor der Rente stehen soll. Dass er zum Jahresende in den Ruhestand gehe, will Jana Hering gehört haben. "Wenn das stimmt", stellt sie fest, "dann gibt es in Bad Schmiedeberg gar keinen Hausarzt mehr." Von anderen Fachärzten will die Mutter eines Kleinkindes gar nicht erst reden. Bereits jetzt müsse sie mit ihrem Sohn schon nach Pretzsch fahren. Die dortige Kinderärztin habe das Rentenalter aber auch erreicht. Wie es weitergeht, ist unklar.
Dass weit und breit kein Nachwuchs in Sicht ist, wird von Standesvertretern mit den erschwerten Arbeitsbedingungen im Osten begründet. Ostdeutsche Mediziner erhalten immer noch nur 75 Prozent der West-Honorare, obwohl sie im Vergleich zu ihren Kollegen bis zu 20 Prozent mehr Patienten betreuen. So manche Kassenärztliche Vereinigung (KV) fordert darum bereits jetzt die Greencard für ausländische Mediziner.
Dass umgekehrt immer mehr deutsche Ärzte ihr Glück ihrerseits im Ausland suchen, erklärt etwa die KV Sachsen-Anhalt. So heißt es in einem Schreiben, dass mehr als 40 Prozent aller Absolventen eines Medizinstudiums in den letzten Jahren entweder gar keine ärztliche Berufstätigkeit mehr aufgenommen haben oder gleich ins Ausland gegangen sind. Schuld sei die Politik, die versagt habe, weil sie durch Budgetzwänge und Überhäufung mit arztfremden Aufgaben den Medizinerberuf unattraktiv gemacht habe.
Attraktivität hin oder her: Die Menschen in Bad Schmiedeberg und andernorts wird das wenig interessieren. Sie wünschen sich eine wohnortnahe medizinische Versorgung. Jana Hering dürfte da keineswegs eine Ausnahme sein.