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Liebevolle Ratschläge AWO in Bitterfeld berät werdende Eltern in der Schwangerschaftsberatungsstelle

Wer ein Kind erwartet, hat viele Fragen. Die versuchen zwei Frauen zu lösen - und sind auch während der Pandemie für Eltern da.

Von Andrea Dittmar 15.01.2022, 14:00
Michele Rickert (links) und Susanne Bernatzky (rechts) beraten werdende Eltern bei den ersten Schritten - aber auch zum Thema Abbruch.
Michele Rickert (links) und Susanne Bernatzky (rechts) beraten werdende Eltern bei den ersten Schritten - aber auch zum Thema Abbruch. (Foto: André Kehrer)

Bitterfeld/MZ - Vielleicht war es der Zufall, der sowohl Susanne Bernatzky als auch Michele Rickert zu ihrem gemeinsamen Beruf brachte. Denn von der Möglichkeit, bei der Schwangerschaftsberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bitterfeld zu arbeiten, erfuhren beide jeweils in ihrem Babyjahr - wenn auch mit Abstand. 25 Jahre liegen zwischen den beiden Frauen, deren Büroräume eher wie eine gemütliche Wohnung wirken. Wer hier auf dem Sessel sitzt, braucht keine kalte Diagnose, sondern ein umfangreiches Gespräch mit viel Herz.

„Die Beratungszahlen sind immer weiter gestiegen“, sagt Bernatzky. Auch in der Schwangerschaftskonfliktberatung - rund 120 Frauen informieren sich jährlich zu Abbrüchen, diese Gespräche sind Pflicht. „Viele waren durch den Lockdown überfordert, wenn schon ein Kind zu Hause betreut werden musste“, sagt Michele Rickert. Auch geringeres Einkommen durch Kurzarbeitergeld war in den vergangenen Monaten durchaus ein Grund, warum Frauen sich gegen ein Kind entschieden hatten.

Männer stellen auch Fragen und schätzen die Zeit mit dem Nachwuchs

Doch der weitaus größere Beratungsteil sind werdende Eltern, die sich in sozialrechtlichen Themen helfen lassen. Etwa dem Elterngeldantrag: Acht Seiten, die die werdenden Mütter und Väter ausfüllen müssen, um Geld vom Staat zu bekommen. „Früher kam ganz klassisch die Frau allein, heute sind es beide Partner. Vier Ohren hören mehr als zwei“, so Susanne Bernatzky. Die Paare kämen vor allem durch Mundpropaganda: Freunde oder Hebammen empfehlen den werdenden Eltern die Gespräche. „Wir haben uns in den letzten Jahren einen guten Ruf aufgebaut“, sagt Susanne Bernatzky - nicht ohne Stolz in der Stimme.

Was den beiden aufgefallen ist: Auch die Männer stellen Fragen und schätzen die Zeit mit dem Nachwuchs. Auch wenn immer noch klassisch höchstens zwei Monate Elternzeit für den Vater beantragt werden. Das empfehlen auch die beiden Beraterinnen, vor allem für den ersten und den letzten Monat der Elternzeit.

Doch auch gesellschaftlichen Wandel erleben die AWO-Mitarbeiterinnen: Etwa gleichgeschlechtliche Paare, die ein Kind erwarten. Das sei eine ganz spannende Herausforderung - und leider geht der Staat diesen Lebensmodellen noch nicht entgegen.

Auch für wirtschaftlich schwache Familien und Frauen ist die Beratungsstelle ein Anlaufpunkt

Um die Eltern zu unterstützen, blieb auch während der vielen Kontaktbeschränkungen die Tür der Beratung immer offen. „Die Frauen waren dankbar, dass ein Ort zum Reden da war.“ Denn übers Telefon, wo Mimik und Gestik fehlen, sehen Rickert und Bernatzky eben auch nicht die Fragezeichen in den Augen. Digitale Beratung, das klappt nicht. Zudem wurden viele Schwangere sehr früh freigestellt, um sie nicht zu gefährden - dadurch waren viele einsam. Auch die Neumütter, die sich in der Krabbelgruppe der AWO kennenlernen, konnten sich nicht treffen. „Unseren Osterspaziergang etwa haben wir allein gemacht und allen ein Körbchen gebracht“, sagt Bernatzky.

Auch für wirtschaftlich schwache Familien und Frauen ist die Beratungsstelle ein Anlaufpunkt. Viele wissen gar nicht, was ihnen alles zusteht, müssen Susanne Bernatzky und Michele Rickert immer wieder feststellen. Eine Erstausstattung für das Baby etwa, kann jeder unter einer bestimmten Einkommensgrenze in Anspruch nehmen. „Viele Mütter trauen sich erst nicht, das berechnen zu lassen. Sie sind sich gar nicht sicher, ob ihnen etwas zusteht“, berichtet Rickert. Dann rechnen sie gemeinsam und ein positives Ergebnis sorgt für strahlende Gesichter. „Das ist dann schon richtig was fürs Herz“, so die 27-Jährige.

Die sexualpädagogischen Stunden in Kitas und Schulen gehen mit Maske einfach nicht

Lediglich auf ihr drittes Standbein mussten die beiden nach ersten Versuchen wieder verzichten. Denn die sexualpädagogischen Stunden in Kitas und Schulen gehen mit Maske einfach nicht. „Da geht zu viel verloren, man erreicht die Kinder nicht“, so Susanne Bernatzky. Das Angebot ist für die Bildungsstätten kostenfrei und wird deswegen gern genutzt.

Auch der Kleiderbasar, bei denen sich Eltern treffen und Anziehsachen verkaufen können, fand zuletzt nicht statt. Doch der Bedarf ist wieder da, vor allem der nach dem Anprobieren und Plauschen. Da hält nicht mal das Internet mit.