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Ausstellung im Torhaus Ausstellung im Torhaus: Wittenbergs andere Seite

Von Corinna Nitz 18.05.2001, 17:40

Wittenberg/MZ. - 51 Jahre ist es her,dass die Lutherstadt Wittenberg sich die kleineGemeinde Piesteritz einverleibt hat. Wer nunmeint, dass sich die Piesteritzer seitherstärker mit Wittenberg und dem historischenErbe dieser Stadt gleichgesetzt haben, derirrt.

Tatsächlich identifizieren sie sich weit mehrals mit der Reformationsgeschichte mit dem,was ihren Stadtteil mindestens seit dem Jahr1790 dominiert: die Industrie und das Gewerbe.In jenem Jahr entstanden neben einer Papierfabrik,die später eine Spinnfabrik wurde, etlicheZiegeleien. Und reichlich einhundert Jahredanach konnte das erste chemische Werk gegründetwerden.

Auch eine neue Ausstellung im Torhaus in derWerkssiedlung konzentriert sich ganz auf diesenBereich. Die Schau firmiert unter dem Titel"Industrie und Gewerbe in Piesteritz im Wandelder Zeit" und zeigt neben Fotografien nichtzuletzt eine Auswahl von Produkten, die imLauf der Jahre den Wittenberger Stadtteilverließen. Die Palette reichte von "Mux"-Insektentodüber "Frühstückskräuter"-Perlen bis hin zumSpee, das in der Nachwendezeit eine Renaissanceerfahren hat.

Eine Tablettenpressmaschine von anno dunnemalshat die bis heute in der Werkssiedlung ansässigeApotheke beigesteuert. Radios kamen aus einemElektronikfachgeschäft. Liebevoll werden dieseund andere Dinge in Vitrinen zur Schau gestellt.Mehr noch als diese Exponate weckt jedochdie beachtliche Zahl Fotos Erinnerungen inmanchem Besucher. Da wird verglichen, undeine Piesteritzerin konstatiert: "Wo heuteder ,Spar?-Laden ist, da war früher das CaféHeinze." Ein passendes Foto gibt es auch.Dagmar Bischoff erinnert sich, dass bis zumMauerfall die Konsumverwaltung in den Räumendes einstigen Cafés saß. Sie selbst habe dortgearbeitet.

Besonders stolz macht die Piesteritzer, HeideWill und Reinhard Mörbt vom Verein Herbstzeitin Persona, dass sich eine ganze Menge anGewerbe über die Jahre habe halten können.Die Rathausdrogerie, 1932 eröffnet, gibt esnoch immer. Ebenso die Firma Rudloff. DerSchneider an der Dessauer Straße mag im Bewusstseinder Menschen zu Piesteritz gehören wie dieStickstoffwerke, auf deren Veranlassung einsterst die Werkssiedlung gebaut wurde.

Aus dieser Kontinuität mag denn auch erwachsen,was ein SKW-Vertreter zur Ausstellungseröffnungals "das neue Selbstbewusstsein der Piesteritzer"bezeichnet hat. Heide Will und Reinhard Mörbt,die an dieser Schau vor allem gearbeitet haben,kommentieren den Satz mit den Worten: "DiePiesteritzer sind ein besonderes Völkchen."

Wer sich für dieses Völkchen also interessiert,dafür, wie es einst lebte und heute zu lebenpflegt, dem sei ein Besuch der kleinen Ausstellungempfohlen. Sie zeigt auf sympathische undsachliche Weise die andere Seite Wittenbergs,die sich einmal nicht mit Luther, dafür miteinem Industriestandort befasst, der den Menschenseit Jahrhunderten Lohn und Brot gibt.

"Industrie und Gewerbe in Piesteritz"im Torhaus, Piesteritzer Werkssiedlung. Öffnungszeiten:Montag bis Freitag 10bis 12Uhr und 14bis17Uhr, sonntags von 14bis 17Uhr. Führungennach Vereinbarung. Telefonische Auskünfte:03491/612042.